I’m an angry black woman! Hear me roar! …ja, auf Schwäbisch!

Hallo, ich bin schwarz. Und eine Frau. Und sauer. Man könnte quasi sagen „I’m an angry black woman! Hear me roar!“ Nur, dass ich langsam heiser werde und in taube Ohren zu schreien mir immer weniger Spaß macht. Aber von vorne.
Ich hatte letztens mit einem Bekannten ein sehr interessantes Gespräch über Rassismus und irgendwann kamen auch meine eigenen Erfahrungen mit Rassismus zur Sprache. Und da ist mir was aufgefallen, und zwar, dass ich langsam echt nicht mehr weiß, wie ich mit dem Scheiß umgehen soll. Eigentlich wollte ich einen Artikel wie bil schreiben. Ein selbstermächtigendes Stück textgewordener Arschtritt über meine Strategie(n) der Wahl. Aber da gibt’s keine. Gar keine.

Freundlich lächeln oder Leute schubsen oder ganz anders?!

Tatsächlich hab‘ ich in meinen 27 Lebensjahren glaub‘ ich schon so ziemlich alles probiert: Freundlich lächeln und (ab-)winken, so richtig sauer werden, Leute schubsen, gar nichts sagen, einfach weggehen, Witze machen, Menschen in Gespräche verwickeln um ihnen Raum zu geben ihr Handeln zu reflektieren, Variationen und Mischungen aus alldem…und nichts funktioniert. Gar nichts. Ich fühl‘ mich langsam wie Don Quijote ohne Rosinante und Sancho Pansa, aber dafür mit immer mehr Windmühlen. Nicht, dass ich das Buch gelesen hätte, aber in all meinen anderen Lieblingsbüchern machen die Held*Innen die Monster ihrer Wahl meistens platt. Lucky them.

Und ich? Ich hab‘ keinen Bock mehr auf die Blicke, auf die Griffe in meine Haare, auf das Loben meiner (Mutter-!!!) Sprache, auf die ungebetenen Fragen, die Grenzübertritte, das Gefühl von Bedrohung, auf diese ganze Scheiße. Vielleicht sollte ich mir einfach mal die Mühe machen, all die Antworten auf all die Fragen, die mir ständig ungebeten um die Ohren gehauen werden, aufzuschreiben. Die könnte ich dann je nach Bedarf verteilen. Da stünde dann zum Beispiel:

„Nein, ich hab‘ nix zu rauchen dabei. Außer du rauchst gerne Mentholkippen, und da kriegste jetzt gewiss auch keine mehr ab. Ja, meine Haare muss man waschen. Nein, du darfst meine Haare nicht anfassen. Mir doch scheißegal, ob du noch nie mit ner schwarzen Frau geschlafen hast, daran wird dieser Dialog bestimmt nichts ändern du Arschloch. Ja, wenn ich dir sage, dass ich aus Stuttgart komme, komm‘ ich auch wirklich aus Stuttgart. Nein, ich will da nicht irgendwann nochmal hin zurück. Wo man das letzte Mal vor 26 Jahren war, fährt man vielleicht mal hin, aber das ist deswegen noch lange keine Rückkehr, du Seggl. Ja, ich werde genauso braun wie du. Also nicht ganz genauso, aber du weißt, was ich meine. Ja, ich kann Sonnenbrand kriegen. Und warum mein Zahnfleisch so dunkel ist, weiß ich selber nicht, lies‘ doch mal ein Buch und erzähl mir dann was du rausgefunden hast. Ja, ich spreche schon sehr gut Deutsch. Stimmt. Ich sprech’s ja auch erst, seit ich sprechen kann. Ob meine Muschi auch schwarz ist oder nicht, geht dich genauso wenig an, wie ob meine Nippel auch schwarz sind, du Halbdackel. Nein, ich kann nicht nur weil ich schwarz bin gut singen. Ich hatte u.a. jahrelang Gesangsunterricht. Und nein, ich bin auch nicht nur weil ich schwarz bin cool drauf. Ich bin einfach so cool drauf. Und gut tanzen kann ich einfach so.“

Dann könnte ich das den Leuten einfach in die Hand drücken und vielleicht könnte man sich danach noch unterhalten. Zum Beispiel. In den Jahren, als ich nämlich versucht habe ruhige und freundliche Gesprächen mit den Menschen zu führen, die mir all die Fragen zu diesen Antworten gestellt haben, ist nämlich außer endlosem verbalem Zurückrudern und defensiven Beißreflexen in den allerseltensten Fällen auch nur irgendwas Konstruktives passiert. Weshalb ich solche Gespräche inzwischen nicht mehr führe. Die Jahre, in denen ich meiner Wut einfach freien Lauf gelassen hab‘ und wahlweise verbal undoder tatsächlich Menschen geschubst habe, hab‘ ich mich zwar kurzfristig besser gefühlt, aber eben auch nur das, kurzfristig. Dieses Gefühl von Hilflosigkeit bleibt.

Politische Bildung und Selbstbildung vs. Sensationsgier

Ich mein‘, mir schon klar, dass du das nicht böse meinst und dir nicht klar ist, dass du derdie* Drölftste bist, derdie* damit kommt. Du bist halt neugierig, das ist ne andere Lebenswelt, du weißt halt auch nicht wie damit umgehen. Das ist halt alles ganz schön komplex und dafür, dass man sich in ner rassistischen, sexistischen, homophoben und watweißichnichtalles Gesellschaft sozialisiert, kann auch niemand was. Versteh‘ ich alles. Das macht aber nix besser. Ich verstehe, dass es so gut wie immer, wenn man sich mit einem Thema beschäftigt, einen Punkt gibt, ab dem man mit Eigenrecherche nicht mehr wirklich weiterkommt. Und dass es da unglaublich hilfreich ist, sich mit Menschen, die andere Erfahrungen gemacht haben als man selbst, auszutauschen. Das ist total ok und von mir kriegt niemand ein Flugblatt mit „Let me google that for you“ an die Nase gepappt, wenn ersie* mich nach meinen eigenen Erfahrungen mit Rassismus fragt. Da geht’s dann um Selbst-, und politische Bildung, das ist ne andere Nummer. Aber wenn’s einfach nur darum geht, die eigene Neugier undoder Sensationsgier zu stillen, das ist nicht in Ordnung. In keinem Multiversum. Das ist einfach nur zermürbend und unnötig.

„Des kann’s ja au net sein!“

Ich könnte noch so viel schreiben. Über meine wachsende Angst, wenn ich seit Neuestem in meinem schwäbischen Heimatdorf von mal mehr, mal weniger dubios aussehenden Menschen skeptisch beäugt oder von Menschen in Bus undoder Bahn zum Anlass genommen werde, sich lautstark über „Die Flüchtlinge“ auszulassen oder, wenn ich mir anschaue, auf wie viel gesellschaftlichen Zuspruch Höcke und Co. stoßen. Darüber, dass ich mich dann frage, ob ich in diesem Land auf Dauer sicher bin, oder nicht doch lieber nach Island auswandern sollte. Aber obwohl Island gewiss aus vielen Gründen ziemlich schön ist, kann’s des ja au net sein. Deswegen dacht‘ ich mir, ich probier‘ jetzt mal was Neues aus und schreibe. Vielleicht klappt das ja.

6 Comments

  • Antworten April 11, 2017

    Spinelli

    Genau so und nicht anders liebste Fartuuna. Stay strong, stay loud und wenn alles sonst nix hilft werden halt noch 10 Songs geschrieben. Das macht wenigstens immerhin Spaß.

  • Antworten April 13, 2017

    Road

    Um das Rad nicht immer selbst neu erfinden zu müssen: Denen, die dir wichtig sind, schenke oder empfiehl „exitRacism“, dir selbst oder deinen Schwarzen Peers „Anleitung zum Schwarzsein“. Auch ISD oder Schwarze FB-Gruppen könnten eine Option sein. Respekt, Schwester! Du bist nicht allein.

  • Antworten April 13, 2017

    Luctchab

    Cooler Artikel, ich feier den Don Quijote Vergleich hahah!!

  • Antworten April 14, 2017

    Lars_M

    Für mich gehören Schwarze Menschen so selbstverständlich zur Gesellschaft wie die Tatsache, dass die Sonne in Osten aufgeht. Und erst recht natürlich Schwarze Deutsche*. Vielleicht hilft diese kleine moralische Unterstützung.

  • Antworten April 14, 2017

    Nomsa

    aaaah, jaaaaaa! aus dem herzen gesprochen. leider keine wirkliche lösung, ausser: ich wohne seit 9 Jahren nicht mehr in Deutschland und es ist rückblickend noch schlimmer. ich weiss nicht wie ich das mein ganzes leben mitgemacht habe ohne durchzudrehen. nie wieder. wenn ich in urlaub zurück komme brauche ich immer 1-2 wochen um den ganzen prozess durchzugehen: unglauben – paranoia – wut – akzeptanz (fatalismus). mir wird jetzt erst klar wie sehr das an meiner seele gezehrt hat. ich dachte immer es ist nicht so schlimm, ich werde ja nicht verprügelt oder erschossen oder so. wie traurig!
    trotzdem, auch traurig, dass ich meine heimat verloren habe. meine heimat mir geklaut wurde – yup, ich bin nicht mehr von hier, ihr arschlöcher!
    das wichtigste: du schuldest den Ignoranten nichts, gar nichts! keinen dialog, kein verständnis, keine freundlichkeit. das ist alles ein geschenk vor dir an die, wenn du das trotzdem machst.
    stay strong!

  • Antworten April 15, 2017

    Road

    „While I write“ by Grada Kilomba

    https://www.youtube.com/watch?v=UKUaOwfmA9w

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