Vor Kurzem outeten zwei Frauen Mitglieder der Band Wolf Down als Vergewaltiger und sexualisiert übergriffig. Abgesehen von allem, was danach passierte, ist bemerkenswert, dass diese Band sich als feministisch und explizit gegen Sexismus positioniert darstellte und verstand. Wie kann es sein, dass Mitglieder einer solchen Band Täter sind? Das scheint auf den ersten Blick überraschend. Auf den zweiten eher nicht.
Als wir vor kurzem eine informelle Erhebung in der FICKO-Redaktion gemacht haben, wer eigentlich schon sexualisiert übergriffige Situationen erlebt hat, ergab sich eine erschreckende Zahl abgefuckter Geschichten, die mehr als deutlich zeigte, dass die Betroffenen im Fall des Wolf-Down-Outings nicht alleine sind. Es gibt ein Problem mit sexualisierter Gewalt und Übergriffen in linken Kreisen. Darüber wird zu wenig gesprochen, woraus folgt, dass regelmäßig alle aus allen Wolken fallen und ganz bestürzt sind, wenn es zu Outings von „hohen Tieren“ in linken Kreisen kommt. Auch die meisten von uns, den FICKO-Redakteurinnen, haben bisher öffentlich geschwiegen. Das wird sich nun ändern. Wir werden unsere Geschichten erzählen. Als ersten Text veröffentlichen wir noch einmal das abschließende Statement der Betroffenen im Fall Wolf Down mit einem Kommentar von unserer Autorin Rosa, die mit einer der beiden Frauen gesprochen hat. Anschließend berichten Mitglieder der FICKO-Redaktion von ihren Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt.
Wir starten diese Reihe, um zu zeigen, wie normal Übergriffe leider immernoch sind und wie Übergriffe überhaupt eigentlich aussehen. Ein Übergriff beginnt nämlich nicht erst da, wo eine Person mit körperlicher Gewalt zu etwas gezwungen wird, das sie nicht tun will. Wir starten diese Reihe, um deutlich zu machen, was die Konsequenzen von sexualisierter Gewalt sind und welche Hürden es gibt, als Betroffene nicht einfach nichts zu sagen und das Geschehene beschämt, erniedrigt und mit einer guten Portion Selbsthass hinzunehmen. Wir wollen Betroffenen zeigen, dass sie nicht alleine sind, Solidarität herstellen und alle, denen so etwas passiert ist, ermutigen damit nicht alleine zu bleiben. In diesem Sinne fordern wir unser Publikum auf ihre eigenen Geschichten zu unserer Reihe beizusteuern. Ihr seid nicht alleine, wir haben die Scheiße auch schon durch. Lasst uns so viele Geschichten wie möglich erzählen, damit endlich deutlich wird, wie gravierend das Problem ist.
Wir wollen auch dazu beitragen, dass Täter checken, dass sie Täter sind. Unsere Texte machen deutlich, wie zentral es ist, als Mann nicht nur die feministischen Schlagwörter auswändig zu lernen, um das eigene Standing in der Szene zu sichern, sondern in der eigenen Sozialisation zu graben. Männer müssen das eigene Sexual- und Dominanzverhalten reflektieren, sonst wird sich die Situation nicht ändern. Das darf nicht nur ein Lippenbekenntnis bleiben, es muss etwas passieren. Viele Geschichten, die wir erzählen, zeigen, dass mangelnde Kritikfähigkeit ein wesentliches Problem bei der Konfrontation von Tätern mit ihrem übergriffigen Verhalten ist. Ja, es ist scheiße, wenn man ein guter Feminist sein will, aber leider ein übergriffiges Arschloch war. Das ist beängstigend und kann aus guten Gründen den sozialen Ruin bedeuten. Wenn man aber kein überkrasses Arschloch sein will, dann muss man Verantwortung für die eigene Scheiße übernehmen. Das geht oft schief. Das muss aufhören und dafür müssen endlich Lösungen gefunden werden.
Solidarität muss praktisch werden, wir lassen uns nicht mehr mit halbgaren Entschuldigungen, Ausflüchten und Versprechungen abspeisen. Und in diesem Sinne lassen wir die Betroffenen sprechen.