Interview mit Mansha Friedrich – HipHop-Pionierin der ersten Stunde

Vor knapp zwei Jahren bin ich im Internet auf Mansha gestoßen. Eine Frau, die mit zu den Ersten gehört hat, die hierzulande gerappt haben? Sie hat mit Odem, Loomit, Daim, Phos4 und anderen gesprüht, aufgelegt, als Teil der Rapcrew „Aquarius Answer“ unter dem Namen PeaceNT das erste Battle of the year im Jahre des Herrn 1992 eröffnet (das Bild oben ist der Flyer), aber ich habe noch nie von ihr gehört, hä? Die Generation vor Torch etc.. Die wirkliche Oldschool, die die Fundamente gelegt haben. Ohne die tausende von Leuten vielleicht niemals angefangen hätten, sich mit der wunderbaren Welt von HipHop auseinanderzusetzen.

Wie kommt es, dass ich nie von ihr gehört habe? Es gibt ja längst auch zu HipHop in Deutschland Anthologien, dort steht sie nicht drin. Als ich zum ersten Mal von ihr hörte, fielen mir Parallelen zu unzähligen Frauen in der Geschichte der Menschheit auf. Sie waren schon immer Teil der Geschichte, wurden sehr oft aber vergessen oder absichtlich nicht erwähnt, wenn diese Geschichten (meist von Männern) aufgeschrieben wurden. Dass Frauen auch Samurai waren und aus der Geschichte herausgestrichen wurden, dass Frauen maßgebliche Grundlagenarbeit beim Programmieren von Computern leisteten – und aus der Geschichte gestrichen wurden: Frauen in der Wissenschaft, klassische Komponistinnen, Frauen in der gesamten Menschheitsgeschichte, unzählige weitere Beispiele finden sich in den Suchmaschinen eures Vertrauens. Oder auch nicht, sie sind ja eben teilweise nicht einmal mehr aufzufinden, weil sie herausgestrichen wurden. Das passiert sogar bei ganz aktuellen Phänomenen wie #metoo.

Ich hole so weit aus, weil ich selbst weiß, wie ich auch mal viel weniger Plan davon hatte, wie verschoben mein Blick auf die Welt mitunter ist, wenn mir als Mann nicht bewusst ist, dass ich als Mann auf die Welt blicke. Männlichkeit gilt ja meistens als die Norm, erst die Abweichung wird thematisiert (ein sehr hilfreicher Einstieg ins Thema ist hier, noch mehr dann bei mensstudies.eu). Männliche Rapper werden in Interviews nicht gefragt, wie das „als Mann“ sei in der Rapszene. Wenn das gebrochen und darauf hingewiesen wird, dass z.B. vielleicht nicht alle so mir nichts dir nichts in die Cypher steppen, weil z.B. Mädchen und Frauen viel mehr Hass abkriegen und auf das Spezifische einer männlichen Erfahrung hingewiesen wird, kommen auch gern mal Abwehr, Verdrängung und, Männ-Lich-Keit, unbändige Wut.

Ich kenne ja meine Pappenheimer und kann mir vorstellen, wie empört und abwehrend immer noch viele HipHop-Männer reagieren, wenn man darauf hinweist, dass HipHop genauso nicht davor gefeit ist, sexistische Strukturen zu reproduzieren oder sogar zu verstärken. Und dass Rap nicht erst seit 2017 von Verachtung für Frauen und schlicht einem strukturellen Sexismus (mein Kommentar im Splash Mag) geprägt ist. Dass es ein strukturelles Problem gibt, das eben nicht ein paar zu vernachlässigende Einzelfälle betrifft. Das ist halt Sexismus. Ihr könnt natürlich extrem sauer werden und euch auf die Hinterbeine stellen, denn kaum etwas scheint in Deutschland so sehr zu empören wie der Hinweis, dass etwas grundsätzlich nicht gerecht und daher scheiße ist. Nicht die Ungerechtigkeit ist dann das Problem, sondern die Leute, die sie skandalisieren. Aber das ist eben falsch und gerade auch wir Männer müssen das mal einsehen und dann gefälligst auch ändern. Klar, dem einen oder anderen Arschloch fällt dann ein Zacken aus der Krone. Aber vielleicht braucht es ja auch keine feudalen Verhältnisse, sondern Aufruhr und Bewegung. Zwinkä, zwinkä.

Dass es ein strukturelles Problem darstellt, bedeutet eben gerade, dass da niemand mit einem sinistren Plan dahinterstecken muss. Es passiert „einfach so“ und „niemand“ ist schuld, es fällt auch eben gerade nicht allen auf und zack, schon entsteht wieder der Eindruck, dass es ja nie Frauen in der HipHop-Geschichte gab und sich auch jetzt nichts ändern müsste, weil es ja schon immer so gewesen sei blabla. Stimmt nicht. Stimmt jetzt auch nicht, auch wenn das auch jetzt gern übersehen wird (Bigup an Lina Burghausen für diese ellenlange Liste von weiblichen MCs). Von Anfang an waren auch in Deutschland Frauen beteiligt und zwar z.B. exakt diese ganz individuelle Mansha, HipHop-Fan und Aktivistin der allerersten Stunde, die als Erste internationale Auftritte hatte, Cora E. auf die Bühne holte und etliche weitere Leute in ihrer Bude in Hannover beherbergte und zusammenbrachte, wenn mal wieder eine Jam anstand.

Dass kaum jemand heute in HipHop-Kreisen ihren Namen kennt, geht nicht klar und HipHop muss diesen Fehler beheben. Ich habe Mansha im Juli in Hannover besucht und mit bescheidenen Mitteln ein kleines Interview geführt, das hoffentlich bei Leuten mit professionellerem Equipment und mehr Ressourcen Interesse weckt, damit die Geschichtsschreibung auch im Bezug auf HipHop in Deutschland mal ein paar Lücken schließt. Show some respect! Und Vorhang auf für Mansha. Vielen Dank auch explizit an dich. Wir haben etwas nachzuholen, lasst uns anfangen.

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