Die „Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten (BAG)“ gibt es seit 1986. Sie gründete sich nach dem Hamburger Kessel, als hunderte Bürger_innen bei einer Demo gegen Polizeiwillkür stundenlang rechtswidrig festgehalten wurden. Aus heutiger Sicht, wo derartige Kessel (und Rechtsbrüche) so normalisiert wurden, dass sich niemand mehr großartig darüber empört, ist doch bemerkenswert, dass es damals für die zuständigen polizeilichen Führungskräfte Verwarnungen gab, zudem wurden 200 D-Mark Schadensersatz pro eingekesselter Person ausgezahlt. Die Kritischen (Kurzform) gründeten sich aus der Empörung über diesen Fall mit dem Ziel, rechtstaatliche Ideale des Grundgesetzes gegen die tatsächliche Praxis bei der Polizei zu verteidigen. Über die Jahre profilierte sich der kleine, eingetragene Berufsverband mit einer für deutsche Verhältnisse einmaligen, deutlich herrschaftskritischen Haltung, die nicht ohne Gegenreaktionen von Seiten des Staates blieb, diese Stimme mundtot zu machen. Das gelang aber nicht, die BAG ist weiterhin geschäftsfähig und längst wieder da.
Ein gutes Beispiel für die Arbeit der BAG geben diese zwei Interviewteile, die von Iraklis Panagiotopoulos und Dan Thy Nguyen Anfang 2014 veröffentlicht wurden. Hier äußert sich der Sprecher Thomas Wüppesahl zu den Hamburger Polizeiexzessen rund um die Angriffe auf die Demonstration am 21.12.2013 und das danach mit Lügen herbeiargumentierte Gefahrengebiet, in welchem Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden.
Ich sah dieses Interview im Januar 2014 und war begeistert. So etwas aus dem Mund eines Polizeibeamten, der über 30 Jahre im Dienst war! Als Thomas Wüppesahl ein paar Monate später an der Uni Mainz einen Vortrag hielt, sprach ich ihn an und versuchte ihn zu überzeugen, dass es mehr solcher Videos und vor allem eine aktive facebook-Seite der BAG geben müsste. Denn wir hatten bei FICKO sehr gute Erfahrungen damit gemacht, mit dem Internet und der Öffentlichkeit politisch zu arbeiten. Thomas Wüppesahl war sehr offen dafür, ich traf ihn noch einmal im Sommer in Hamburg und dann dauerte es doch noch einmal etwas länger, bis wir weiterarbeiten konnten.
Jetzt aber ist es soweit, die Kampagne kann beginnen. FICKO kümmert sich darum, die neuen Öffentlichkeiten, die Diskussionen um Polizeigewalt, grundgesetzwidriges Verhalten, Repressionen gegen politische Aktivist_innen, eindeutige Rechtsbrüche und was es beim Thema Polizei nicht alles gibt, mit der Expertise und der Haltung der Kritischen Polizist_innen zusammenzubringen. Deren Stimme muss noch viel deutlicher gehört werden und z.B. facebook ist im Moment einfach ein Ort, wo genau diese Öffentlichkeit passiert und hergestellt wird.
Darum wurde nun eine kleine Spendensammlung gestartet, mit Hilfe derer genau diese Ziele umgesetzt werden sollen. Die Website wird neu gemacht, ein neues Logo entworfen, die facebook-Seite nimmt ihren Betrieb wieder auf, es werden Videos erstellt. Wenn ihr das unterstützenswert findet, unterstützt es. Durch Geld, durch Weiterleitung der Kampagnenseite, durch Engagement in den Kommentaren, durch Eintritt in die BAG.
Hier spenden.
Das Video erklärt die Ziele auch noch einmal in Kürze:
Es ist in diesen turbulenten Zeiten umso wichtiger, dass nicht im angeblichen Kampf für Sicherheit noch mehr Bürgerrechte ausgehöhlt und offensichtliche Lügen dafür benutzt werden, fragwürdige politische Entscheidungen durchzusetzen. Die offene Gesellschaft ist nicht von außen bedroht, sondern primär von innen, wenn mit der Behauptung, sie zu schützen, die Offenheit selbst abgeschafft wird. U.a. von Leuten in Verantwortung, denen Begriffe wie soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Menschenwürde, Aufklärung und Transparenz, ja Demokratie und ihre Werte höchstens als Lippenbekenntnisse und PR-Formeln scheinen, die sie in Interviews darreichen, um dann im nächsten Moment ganz anders zu handeln. Solange Menschen wie Rainer Wendt maßgeblich für die Außendarstellung der Polizei verantwortlich sind, braucht diese sich nicht zu wundern über ihr schlechtes Image, welche Leute sie anzieht oder sich permanent als Opfer darzustellen. Solange die Polizei selbst regelmäßig durch Fehlverhalten glänzt, wird das nicht besser werden. Deutlich mehr Selbstkritik und substanzielle Umsetzung einer selbstkritischen Haltung wären viel erfolgreicher. Und um dem ein wenig auf die Sprünge zu helfen, gibt es diese Kampagne.