Part I: Hustensaftrap im Allgemeinen
Ende der Neunziger ist HipHop meine große Liebe geworden. Zwar rappe ich nicht (ich kann nicht rappen), bin aber dennoch sehr involviert. Man könnte sagen, ich bin Teil der sogenannten Generation Oldschool. Seit einiger Zeit höre ich von diversen HipHop-Urgesteinen einen gewissen Unmut gegenüber Cloud Rap, Trap, und anderen Trends, die HipHop im Laufe der Zeit mit sich gebracht hat. Unter anderem auch die Aussage, dass enge Hosen nicht HipHop sind. Quasi: früher war alles besser und alles, was aktuell auf dem Markt ist, ist nicht „real“. Das Thema Skinny Jeans ist aber ein Thema für einen anderen Zeitpunkt. Heute will ich mich darüber auslassen, warum Cloud Rap, aka Hustensaftrap, nicht per se wack, sondern sehr wohl real ist.
Seit fast einem Jahrzehnt ist Cloud Rap, von vielen auch scherzhaft „Hustensaftrap“ genannt, eine aus den USA entsprungene, und sehr gehypete Stilrichtung im HipHop. Von vielen belächelt, ist es jedoch eine Musik, um die man nun spätestens seit den letzten paar Jahren, beispielsweise durch Rapper wie Young Hurn oder Hustensaftjüngling, auch im deutschsprachigen Raum nicht mehr herumkommt.
Der Begriff Hustensaftrap lässt sich davon herleiten, dass viele der US Rapper dieses Genres sich sowohl lyrisch, als auch in ihren Videos, mit dem sogenannten Lean, bzw. Purple Drank darstellen, und diesen Lifestyle geradezu zelebrieren. Dabei handelt es sich um ein Gemisch aus kodeinhaltigem Hustensaft und Sprite. Die lila Farbe des Purple Drank kann durch zerkleinerte und im Getränk aufgelöste Bonbons erzielt werden.
Cloud Rap zeichnet sich aus durch einen eher schleppenden, trippigen Sound, oftmals Auto-Tune, und psychedelisch angehauchte Synthies. Tatsache ist, dass diese Richtung, in die die breite Masse der Künstler im HipHop momentan geht, nicht jedem zusagt. Dies muss, und kann, auch nicht erwartet werden, Geschmäcker unterscheiden sich bekanntlich. Doch nicht nur akustisch sagt diese nicht jedem zu. Sicherlich lässt sich argumentieren, dass im Cloud Rap viele der Urelemente des HipHop verloren gehen. So zum Beispiel das Breaken, MCing, Freestyling, und auch der typische Oldschool Boombap Sound. Das heißt jedoch nicht, dass Hustensaftrap keine Relevanz hat.
HipHop ist seit seiner Entstehung schon immer ein Werkzeug für Social Justice und des Widerstands gewesen, welche sich an der jeweiligen Problematik innerhalb der Gesellschaft orientieren; zu damaligen Zeiten an der Krise, in welcher sich der große Teil der schwarzen US Bevölkerung gefangen sah. So ist Cloud Rap ein Spiegel der dortigen Gesellschaft und Politik, und der Probleme, die sie mit sich bringen.
Wenn man sich den Lebensstandard jener Regionen anschaut, aus welchen die Mehrheit des Hustensaftrap kommt, so lassen sich dort verstärkt Armut, Rassismus, und soziale Missstände feststellen. Zwischen Polizeigewalt, Rassismus, Chancenungleichheit und Mangel an sozialen Aufstiegsmöglichkeiten, ist die Aussichtslosigkeit der betroffenen Bevölkerungsgruppen offensichtlich. Dies bleibt besonders in jüngeren Altersgruppen nicht ohne Folgen. Man könnte die These aufstellen, dass eben jene Aussichtslosigkeit einen Drang, sich zu betäuben, und dadurch auch zu rebellieren, mit sich bringt.
Lil B gilt als der Begründer des Cloud Rap, und machte diesen 2009 bekannt, ungefähr zu der Zeit der damaligen weltweiten Wirtschaftskrise. Das Großwerden des Hustensaftraps korreliert also mit der wachsenden sozialen Ungleichheit in der Bevölkerung, bzw. mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Man mag also womöglich kein Fan dieser Stilrichtung sein, jedoch zieht das Argument, dass Cloud Rap keine Daseinsberechtigung im HipHop hat, nicht, denn es bleibt zumindest einem Aspekt des HipHop treu. In dem Sinne, dass es soziale Missstände der Gesellschaft wiederspiegelt, ob nun beabsichtigt, oder nicht.