In Hamburg gründet sich gerade das Fuckyeah-Sexshopkollektiv, das sich als Gegenentwurf zu konventionellen Sexshops versteht und dem feministischen und sexpositiven Lustmolchtum endlich einen angemessenen Platz in den Köpfen und Herzen der Menschen verschaffen will. Wir haben mit Zarah und Rosa gesprochen, um herauszufinden, was es damit auf sich hat.
Ihr gründet gerade ein feministisches Sexshopkollektiv in Hamburg. Wie kommt‘s?
Zarah: Die Idee entstand am WG-Küchentisch beim Gespräch über die Sexshop-Situation in Hamburg. Uns fiel einfach kein Shop ein, wo wir so richtig gerne hingehen. Ich war dann vor ein paar Jahren in Berlin bei Other Nature und war begeistert von deren Konzept. Danach begann ich im Internet dazu zu recherchieren und fand viele solcher Läden in den USA und fragte mich: Warum nicht auch in Hamburg? Da ich aus der DIY-Kultur komme, lag es nahe, dann einfach selber einen zu eröffnen.
Rosa: Im letzten Sommer haben wir dann angefangen uns zu treffen und konkret zu planen. Weitere Mitstreiter*innen aus dem erweiterten Freundeskreis waren schnell gefunden.
Ihr seid ein Kollektiv. Was heißt das? Warum habt ihr euch für diese Organisationsform entschieden?
Rosa: Für uns bedeutet das, dass wir alle auf Augenhöhe und gleichberechtigter Teil des Projekts sind. Es gibt bei uns kein*e Chef*in. Wir versuchen, alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Für uns ist diese hierarchiefreie Form des Arbeitens selbstverständlich, da sie sich aus unserem politischen Verständnis ableitet.
Was hat Sexualität mit Feminismus zu tun?
Zarah: In der Sexualität spiegeln sich auch die Geschlechterverhältnisse, also Patriarchat und Heteronormativität, wider. Somit ist auch die Sexualität ein Thema, bei dem feministische Analysen und Praxis nötig sind.
Rosa: Wenn man zuerst mit Sexualität in Kontakt kommt, ist es schon häufig gesellschaftlich bestimmt, wie man sich zu verhalten hat. Wer ist aktiv, wer passiv? Wer darf zuerst kommen? Darf man auch nein sagen? Das alles ist bestimmt durch Sexualitätsnormen, die scheinbar festgeschrieben sind. So war z.B. auch sexualisierte Gewalt in der Ehe bis vor 20 Jahren noch legal. Ist es jetzt zum Glück nicht mehr, und wir würden uns noch viel mehr Veränderung wünschen, hin zur sexuellen Selbstbestimmung.
Was ist bei euch anders, als bei anderen Sexshops?
Zarah: Der Shop soll hell und freundlich sein, einladend für alle Geschlechter und offen für alle sexuellen Praktiken, solange sie im Konsens passieren. Es wird keine dunkle BDSM-Ecke geben, alle Produkte sollen gleichwertig präsentiert werden. Weiterhin legen wir Wert darauf, dass alle angebotenen Produkte aus gesundheitlich unbedenklichen Stoffen bestehen.
Rosa: Das ist leider nicht selbstverständlich. So werden bei Sextoys häufig Kunststoffe verwendet, welche bereits seit Längerem für Kinderspielzeug und in der Lebensmittelindustrie verboten sind. Wir legen Wert auf Transparenz. Die Kund*innen sollen wissen, was mit ihren Schleimhäuten in Kontakt kommt.
Was ist an „Standard“-Sexshops problematisch aus eurer Sicht? Warum braucht es euch?
Rosa: Zum Einen sexistische Bilder auf den Verpackungen, wo einen die immer gleichen Pornostars lasziv anstöhnen. Dann die schon angesprochenen intransparenten, teilweise giftigen Inhaltsstoffe. Misogyne Pornos und eine Kategorisierung der Produkte die binären Geschlechtervorstellungen entsprechen.
Zarah: So gibt es häufig eine „Männer“- oder „Frauen“-Ecke, was ist aber mit Personen, die einen Penis haben und sich als Frau definieren? Oder Personen, die sich als keins von beidem sehen?
Rosa: Wir wollen daher in unserem Shop die Produkte anders sortieren. Eher nach Funktion und Körperstelle und nicht genau vorschreiben, wer was wann wo und wie benutzen soll.
Wie entscheidet ihr, was ihr anbietet? Gibt es manchmal Dissens?
Rosa: Als Kollektiv treffen wir diese Entscheidungen auch gemeinsam nach folgenden Kriterien: Sind die Toys aus ungiftigen Material? Sind sie fair produziert? Supporten wir damit die Community? Gibt es Produkte in verschiedenen Preisklassen? Werden nur konsensuale Sexpraktiken gezeigt (bei Pornos u.ä.)?
Zarah: Eine Diskussion hatten wir schon über einen abgehackten „Frauen“-Kopf aus Silikon, wo dann ein Penis in den Mund gesteckt werden kann. Ich hätte bei so einem Produkt Bauchschmerzen, das zu verkaufen. Mir scheint da eine Grenze zwischen kinky/pervers und frauenverachtend überschritten zu sein.
Ein feministischer Sexshop ist auch ein politisches Statement oder ein Beitrag dazu, die Welt cooler zu machen. Welche Themen liegen euch besonders am Herzen?
Rosa: Wir finden, dass einvernehmlicher Sex, der allen Beteiligten Spaß machen sollte, auch ein politisches Anliegen ist. Deshalb ist es uns wichtig, dass sich mehr Leute mit der Frage beschäftigen: Was ist konsensualer Sex? Wie kann ich meine Bedürfnisse wissen und äußern, und die von anderen respektieren? Diese Auseinandersetzung kann im besten Fall sexualisierte Grenzüberschreitungen verhindern, die ja leider sehr oft vorkommen.
Zarah: Wir wollen mit dem Laden auch ein Statement für einen positiveren Bezug zum Körper setzen und gegen gängige Schönheits- und Geschlechterideale agieren. Niemand sollte sich aufgrund ihres_seines Körpers, Geschlechts oder Begehrens scheiße fühlen.
Wie wollt ihr Leute erreichen, die nicht sowieso schon interessiert an sexpositivem Feminismus sind? Ist das ein Thema für euch?
Rosa: Der Laden an sich wird ja schon eine Außenwirkung auf Passant*innen und Nachbarschaft haben.
Zarah: Zudem bemühen wir uns auch durch Öffentlichkeitsarbeit andere Menschen zu erreichen.
Ihr crowdfunded gerade fleißig, wie geht es danach weiter?
Rosa: Wir wollen nach erfolgreichem Crowdfunding möglichst schnell einen Laden finden und eröffnen. Dazu gibt es dann sicherlich auch eine fette Eröffnungsparty. Wir würden am liebsten nach St. Pauli oder Altona, in die Schanze oder ins Karoviertel ziehen – wenn da Menschen von leeren Läden wissen, können sie sich gern bei uns melden!
Zarah: Bis dahin müssen wir aber noch die Finanzierungsschwelle schaffen! Also bis zum 28. August könnt ihr uns über www.startnext.de/fuck-yeah-sexshop unterstützen. Es gibt auch eine Menge sexy Dankeschöns zum Aussuchen.