Glaubt man den Aussagen, die viele Männer treffen, wenn ihnen vorgeworfen wird, sexualisierte Gewalt ausgeübt zu haben, sind alle Frauen Verrückte, Stalkerinnen oder psychisch labile Personen, die durch eine Gewalterfahrung traumatisiert wurden. Der Vorwurf des Missbrauchs wird für den Täter, sein Umfeld und diejenigen, die sich solidarisch mit ihm zeigen und urteilen, noch unglaubwürdiger, wenn der Täter eine Person des öffentlichen Lebens ist. Außerdem sind viele der Meinung, dass (attraktive) Berühmtheiten immer eine*n Sexualpartner*in finden und deswegen nicht dazu neigen, übergriffig zu handeln.
Was vielen nicht bewusst ist: Eine Vergewaltigung ist ein Gewaltakt. Die Täter werden selten angezeigt und so gut wie nie verurteilt, und die Strafen sind lächerlich gering und oft nicht sinnvoll (anderes Thema). Der Vergewaltiger hat also die Möglichkeit, Gewalt anzuwenden und gute Chancen, nicht von der Justiz oder der Gesellschaft verurteilt zu werden.
Sexueller Missbrauch findet häufig im direkten Umfeld statt. Übergriffiges Verhalten wird von vielen als “Spaß”, “Missverständnis” oder “härterer Sex” gewertet. Stammt der Täter aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis, wird erst geprüft, ob das Opfer vielleicht unglaubwürdig ist, weil er wechselnde Sexualpartner*innen hat, auf “unkonventionelle” Sexpraktiken steht oder psychisch krank ist. Betroffene von sexualisierter Gewalt durchleben nicht selten mehrfach solche Grausamkeiten. Damit wird oft der Missbrauch durch den Freund oder Bekannten nur als “Auslöser” einer früheren Gewalterfahrung gewertet, mit der der Angeklagte seiner Meinung nach natürlich nichts zu tun hat.
Ausreden. Ausreden. Ausreden.
Im linkspolitischen Umfeld, also auf der Seite “der Guten”, gibt es unter den netten, hilfsbereiten, oberintellektuellen Typen, die sich selbst auch gerne als Feministen™ bezeichnen, natürlich nur Missverständnisse und verrückte Weiber, die einem was anhängen wollen, um einem das Leben zur Hölle zu machen.
Ich selbst beobachte nicht nur ständig (ja, wirklich!), dass die Realität eine andere ist, sondern bin selbst Betroffene. Kaum jemand kann sich davon freisprechen, grenzüberschreitend gehandelt zu haben. Ein aufdringlicher Kuss, Berührungen und sexuelle Handlungen ohne Konsens und anzügliche Bemerkungen gehören leider zum normalen Umgang in dieser Gesellschaft. Auch ich muss immer wieder prüfen, ob ich meinen Gegenüber nicht verletze, und immer wieder Neues dazulernen, wenn es um den richtigen Umgang in zwischenmenschlichen Beziehungen geht. Ja, man kann nicht alles richtig machen und es ist superschwierig bis unmöglich durch die Welt zu laufen und dabei niemandem wehzutun. Deswegen bleibt es wichtig, sein Gegenüber anzusprechen, sobald es sich falsch verhält. Grenzen sollten klar kommuniziert werden und eine aufrichtige Entschuldigung und das Ziehen von Konsequenzen sind unverhandelbare Voraussetzungen für einen respektvollen Umgang in einer besseren Gesellschaft, die wir uns alle wünschen.
Und dann gibt es noch eindeutige sexuelle Übergriffe, die nicht schönzureden sind. Dazu gehört: betrunkene, schlafende oder sogar ohnmächtige Frauen anzufassen und zu missbrauchen. Jemanden während sexueller Handlungen immer wieder ohne Einverständnis, ohne Konsens brutal zu schlagen und zum Geschlechtsverkehr sowie zu sexuellen Handlungen zu überreden oder zu zwingen, ist inakzeptabel. Solches Verhalten darf nicht schöngeredet werden und muss Konsequenzen haben!
Der Schmerz der Betroffenen darf nicht in den Hintergrund gerückt werden, schon gar nicht, wenn es darum geht, die Verhaltensweisen der Täter zu relativieren, indem in der Situation das Leid und die Biografie des Täters in den Vordergrund gerückt wird. Damit einhergehend wird nämlich die*der Betroffene dazu gewungen, das eigene Handeln, die Verletzungen, die Wut und den Hass zu hinterfragen. Opfer sexualisierter Gewalt sind oft orientierungslos, durchleben Qualen, verhalten sich ambivalent und wissen nicht, was sie wollen.
Kein Verständnis für Täter.
Die Arschlöcher, die ihnen und mir so viel Zeit, Freude und Kraft geraubt haben, bleiben für mich arme Würstchen, Elendsgestalten und Schmutz, die von mir kein Mitleid verdient haben. Niemand darf von mir verlangen, dass ich für die Täter Verständnis aufbringe, ihnen verzeihe oder “einen Schlussstrich ziehe”. Ein Mensch, der vorgibt, eine Vertrauensperson – einer von den Guten – zu sein, und einen Menschen missbraucht, muss genauso hart bestraft werden, wie jedes andere sexistische Stück Scheiße, das keinen Refugees-Welcome-Hoodie trägt.
Betroffene sexualisierter Gewalt müssen ständig gegen ihre Angst, die Scham und die Ungerechtigkeit, die ihnen widerfährt, kämpfen und bezahlen häufig mit ihrer Gesundheit oder ihrem Leben. Das ist die grausame Wahrheit.
Ich bedanke mich bei den mutigen Frauen, die das Mitglied der Band „Wolf Down“ als Täter geoutet haben. Sicherlich haben einige aus dem Umfeld des Täters weggeschaut und vermutlich müssen sich die Betroffenen in nächster Zeit nicht nur mit dem Schmerz, den ihnen die Täter zugefügt haben, auseinandersetzen, sondern auch mit wütenden Fans, mit den unsolidarischen Arschlöchern der linken, veganen und Musikszene und Freunden sowie Bekannten, die Fehler machen werden. Es tut weh. Alle Betroffenen sexualisierter Gewalt haben das Recht, sich so zu fühlen, wie sie sich fühlen.
Ihr müsst euch für euren Hass, eure Wut, eure Trauer und das, was euch angetan wurde, nicht schämen! Lasst euch nicht einreden, dass ihr eine Mitschuld trägt oder etwas falsch gemacht hättet, als euch Leid zugefügt wurde! Danke, dass ihr alle kämpft.
Solidarisches Mitgefühl
Rosa
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Eine Triggerwarnung hätte ich von euch wirklich erwartet. Plötzlich wird über V* geredet und teilweise detailreich beschrieben. Geht gar nicht. Mich als Betroffene hat es kalt erwischt. Wäre wünschenswert, wenn ihr das ändert.
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Eine Betroffene schreibt euch, dass euer Artikel sie kalt erwischt hat, weil ihr es nicht für wichtig befunden habt eine Triggerwarnung zu posten und ihr löscht es einfach?