Heinrich Böll zur Frage nach der Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland

1981. Kontinuitäten sind kein Zufall, das #Deutschlandproblem ist real.

„SPIEGEL: Herr Böll, Sie haben sich stets für das westdeutsche Rettungsschiff „Cap Anamur“ eingesetzt, das vor der Küste von Vietnam Flüchtlinge aufnimmt – und vor allem dafür, daß die Tätigkeit der „Cap Anamur“ nicht behindert wird. Warum?

BÖLL: Das ist ganz einfach. Ich bin der Meinung, daß man Menschenleben retten soll, wo man sie retten kann. Und keine Institution, die Leben zu retten vermag, darf auf offener See Selektion betreiben. Das hieße ja, Menschen willkürlich zum Tode zu verurteilen.

SPIEGEL: Die Bundesrepublik hat ein Asylproblem. Meinen Sie, daß es für so ein engbegrenztes Land Grenzen der Aufnahmefähigkeit gibt?

BÖLL: Ich glaube, daß die Bundesrepublik ein so begrenztes Land nicht ist. Es kann nicht genug „Cap Anamurs“ geben. Und was die Aufnahmefähigkeit der Bundesrepublik angeht: Angesichts der Tatsache, daß unsere Bevölkerung offenbar abnimmt, bin ich nicht nur für ein sehr liberales Einwanderungsgesetz, sondern auch für ein sehr liberales Einbürgerungsgesetz.

SPIEGEL: Das westdeutsche Asylrecht verbietet es, sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge aufzunehmen. Sollen die dennoch herein?

BÖLL: Ich bin dafür. Die Unterscheidung zwischen politischen Flüchtlingen und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen ist doch eine Heuchelei.

SPIEGEL: Wieso Heuchelei?

BÖLL: Im Grunde ist doch die Wirtschaft eines Landes die Folge der Politik. Auch ein Wirtschaftsflüchtling ist also ein politischer Flüchtling. Man kann das eine nicht vom anderen trennen.“

Das Interview in Gänze.

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