Das Statement des Helfers in Berlin, der gestern mit seiner falschen Behauptung für große Verwirrung gesorgt hat:
„Ich möchte mich hiermit bei euch aus tiefstem Herzen entschuldigen. Es tut mir unendlich leid, dass ich viele Menschen mit meiner falschen Aussage verletzt habe. Ich übernehme für das, was daraus folgte und möglicherweise noch folgen wird, die volle Verantwortung.
Viele von euch haben mich in den vergangenen Monaten persönlich kennengelernt, mit einigen von euch bin ich mittlerweile eng befreundet. Für die,die mich nicht kennen, möchte ich kurz erklären, wie es dazu kam:
Seit einigen Wochen merke ich zunehmend, dass mich mein ehrenamtliches Engagement mehr und mehr an die Grenzen der psychischen und auch körperlichen Belastung bringt. Mehrfach wollte ich mich zurück ziehen, habe es aber nicht geschafft. Gestern Nacht kam ich von einer Feier mit syrischen Freunden und hatte ziemlich viel Alkohol getrunken. Zu viel! Da es wirklich einen jungen Mann gibt, der sich vorm LaGeSo eine schlimme Grippe/Mandelentzündung zugezogen hat, muss ich mich in eine Geschichte hinein gesteigert haben, die ich in diesem Moment wohl selbst geglaubt habe.
Heute morgen konnte ich mich an fast nichts mehr erinnern, erst im Laufe des Tages wurde mir klar ,was ich angerichtet habe. Da ich mein Handy ausgeschaltet hatte, wurde mir das Ausmaß erst am frühen Nachmittag klar. Ich habe mich dann mit der Polizei in Verbindung gesetzt und mehrere Stunden eine Aussage gemacht. Ich habe erklärt, dass niemand gestorben ist. Bis zum Abend habe ich mit kaum jemanden von euch gesprochen gehabt, auch wollte ich nie eine Pressekonferenz oder ähnliches abhalten.
Ich weiß, dass ich viele damit sehr verletzt habe. Allen voran Reyna, die ich unbeabsichtigt mit hinein gezogen habe.
Ich wollte wachrütteln, etwas verändern und habe dabei in einer Mischung aus Betrunkenheit und nervlichem Zusammenbruch ein völlig falsches Mittel gewählt. Anders kann ich mein Handeln nicht erklären
Ich werde mich sofort aus allen Gruppen zurückziehen. Jeden Fall, den ich noch betreue, werde ich an andere Helfer abgeben. Euch allen wünsche ich viel Kraft
Es tut mir so wahnsinnig leid.“
Aktivismus-Burnout existiert. Und heutzutage kann alles, was v.a. digital kommuniziert wird, binnen Minuten extrem große Aufmerksamkeit erlangen und einiges an Folgen nach sich ziehen. Wir müssen dem irgendwie gerecht werden, indem wir noch viel stärker anerkennen, dass wir längst Teil der Medienlandschaft sind. Nicht nur Journalist_innen sollten sich an Standards halten, sondern jeder Mensch, der etwas bei Facebook teilt. Weil wir alle mitmachen. Wir sind nicht mehr das passive Publikum von 1978. Wir sind dabei. Man vergleiche die täglich durchs Netz gejagten wilden Lügen von Pegida und AfD etc.
Elke Wittich von den Prinzessinnenreportern meinte gestern zurecht: Erst die Hosen anziehen, dann die Schuhe. Erst die Fakten finden, dann die Meinung dazu. Wir sollten uns das zu Herzen nehmen, die Nähe zum völlig durchdrehenden Terror der erfundenen Horrormeldungen tut niemandem gut. Dennoch spricht natürlich Bände, dass alle, die sich auskennen, es für möglich hielten, dass bei den unfassbaren Zuständen vor dieser staatlichen Behörde Leute sterben. Ohne das monatelange Engagement wäre es wahrscheinlich längst dazu gekommen.
Und by the way: Es sind auch gestern wieder Menschen gestorben, die auf der Flucht waren. Quasi täglich tötet die EU-Asylpolitik ganz konkret Menschen, treibt sie in den Tod, weil es keine legalen Wege zur Einreise gibt.
Ich weiß, wir haben hier auch schon ab und zu mal den Fehler gemacht und Meldungen verbreitet, die sich später als nicht korrekt erwiesen haben. Sowas kann aus verschiedenen Gründen passieren. Und solange wir das hier alles komplett ehrenamtlich machen, ist es vielleicht auch noch etwas anderes. Das ist ja auch das Problem mit der Überforderung der ebenfalls ehrenamtlichen Strukturen. Es ist eine Schande für uns als Gesellschaft und ein Zeichen, dass etwas gewaltig schiefläuft, dass derartig wichtige Aufgaben an unbezahlte Laien übergeben werden in der unausgesprochenen Hoffnung, dass die das schon irgendwie machen werden. Von einem Frank Henkel wollen wir hier mal gar nicht erst anfangen…
Es sollte aber eigentlich nicht sein, es ist auf Dauer gefährlich. Also lasst uns klug sein und solche Fehler nicht wiederholen. 1. FAKTEN. Dann 2. Meinung. Wenn die Fakten nicht klar sind: Langsam machen. Und auch denen, die schon rumschreien (wie die besorgten Rechtsterroristen und ihre Fans allesamt jeden Tag), erst einmal ruhig entgegnen, dass die Fakten noch nicht klar sind. Wir dürfen uns vom Wahnsinn nicht auch noch anstecken lassen. Wenn es brennt, hilft es garantiert nicht, sich auch noch mit Benzin zu übergießen.
Auf der anderen Seite ist es auch ein Zeichen der Hoffnung, wenn man sieht, wie gut einiges an Hilfe mitunter von diesen Laien erledigt wird. Hunderttausende Menschen bringen sich ein. Der Staat ist oft unfähig bzw. unwillig, wir machen das besser. Jetzt müssen wir uns nur noch darum kümmern, dass wir uns nicht komplett dabei aufreiben und z.B. auch über Geld reden. Denn wir leben nun mal im Kapitalismus und niemandem ist geholfen, wenn die wenigen, die alles tragen, zusammenbrechen.
Die Erschöpfung ist eben real da und da können wir tatsächlich etwas tun. Ja, wir. Denn wenn alle allein bleiben, bricht es sowieso zusammen. Solche riesigen Aufgaben kann niemand allein bestreiten. Dieses – ich wiederhole mich – nichtfaschistische Wir, das sehr locker und selbstverständlich explizit konstruiert ist, einigt sich darauf, für die anderen da zu sein, einzuspringen, andere zu mobilisieren und sich im Rahmen der Möglichkeiten Mühe zu geben. Damit sich nicht ein paar verausgaben und der Rest nichts tut. Denn so geht das nicht. Leute brechen zusammen und sind dann komplett raus. Viel klüger wäre es doch, wenn stattdessen viel mehr Leute kommen und dafür alle ein bisschen weniger machen müssten. Ich weiß, das ist ein frommer Wunsch. Aber es ist eine bessere Alternative als dieser extreme Druck, der auf der ganzen Situation, auf den Geflüchteten, auf den Solistrukturen etc. lastet. Weil es die Hauptstadt eines der reichsten Länder der Welt nicht hinbekommt, die simpelsten Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Man muss schon sehr wegschauen wollen, um nicht nachzudenken, ob dieses „Versagen“ nicht auch gewollt ist. Denn so unfähig kann niemand aus Versehen sein.
Ich habe gestern einer Freundin, die in Berlin wohnt, sehr viel tut und wegen des schäumenden Hasses in den Kommentarspalten schrieb, dass sie sich mal zurückzieht, um sich zu schützen, Folgendes kommentiert:
„Das ist nur intelligent, Selbstschutz ist extrem wichtig (und das sag ich aus schmerzhafter Erfahrung). Es wird noch lang genug dauern, wir brauchen alle unsere Kräfte. Nimm dir Zeit und wir alle müssen in der Zwischenzeit einspringen. Es ist auf Dauer sowieso nicht gut, zumindest strukturell gesehen, wenn ein paar wenige das alles tragen. Wir müssen dazu übergehen, eine Armada der Gutmenschlichkeit aufzubauen. Die sich gegenseitig unterstützt, die noch viel mehr Leute mobilisiert. Die aufklärt. Die dagegenhält. Die die Zivilisation verteidigt. Die Anzeigen schreibt. Neonazis outet. Medien, die unrecherchierte Nazi-Lügen verbreiten, die Bude einrennt. Der Staat will all das ja nicht tun, also liegt es an uns. Es ist aber möglich, etwas zu tun, das dürfen wir niemals vergessen. Sonst verlieren wir auch noch das, was wir noch haben. Zudem wäre es auch ein Treppenwitz der Geschichte, wenn wir hier in den rein rechtlich und strukturell-politisch vergleichsweise immer noch sehr guten Zuständen schon verzweifeln. Wir dürfen uns das schlicht nicht erlauben. Auch wenn ich alle verstehen kann, denen angesichts des Hasses ganz anders wird und die Ruhe brauchen. Aber wir haben keine Wahl, wir müssen es nur schlau anstellen. Dann gewinnen wir auch und hauen die Scheiße weg, gar kein Problem. Auf die Barrikaden! Für die Gutmenschlichkeit!“
In diesem Sinne: Schont euch. Seid lieb zueinander. Sammelt Kräfte. Und dann geht’s ab. Gutmenschen unite!
Moabit hilft e.V. – Gutmenschlichkeit in bester Praxis | FICKO
[…] 2016 auch ein Verein ist, bundesweit bekannt. Wir haben bei FICKO aus der Ferne auch regelmäßig Anteil genommen, die schrecklichen Zustände einerseits und die wichtige und gute Arbeit sind Ausdruck der heutigen […]