Louis C.K.s Pseudoreue

oder wie Vergewaltigungsmythen sexuelle Gewalt verharmlosen

Louis C.K. hat in Mailand seine erste Standup-Comedy-Show in Europa gespielt, nachdem ihm im November 2017 mehrere weibliche Comedians sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatten. Er hatte angekündigt eine Weile von der Bildfläche zu verschwinden und über sein Verhalten nachzudenken. Das mit dem Nachdenken hat eher nicht geklappt, wie seine neue Show zeigt.

Oliver Polak hat Louis C.K.s Show besucht und fragt sich nun in der Welt, ob man ihm seine „kleineren Vergehen“ wohl vergeben könne und ob er nicht genug gestraft worden sei. Darf man sich Louis C.K. noch geben oder nicht? Ist der jetzt ein schlechter Mensch? Man kennt es, ein Typ benimmt sich wie ein Arschloch und die Debatte dreht sich darum, dass die Reaktionen auf sein Arschlochbenehmen sehr hart gewesen seien.

Polak beschreibt in seinem Artikel, wie Louis C.K. auf die Bühne kommt und mit Witzchen darüber beginnt, wie schlimm sein Jahr war und dass ihm Leute in der Öffentlichkeit nun den Mittelfinger zeigen würden. Auf Youtube findet sich ein Audiomitschnitt einer Comeback-Show in den USA, wo Louis C.K. ironisch darüber spricht, wie viel Geld er als Nachspiel der Übergriffe verloren habe und dass er darüber nachgedacht habe das Land zu verlassen. Er hat’s nicht leicht, der Gute.

Dass die Selbstmitleidsnummer funktioniert und es nun Feuilletonartikel über seine Show in Mailand gibt, zeigt deutlich das Problem, wie medial über sexuelle Gewalt gesprochen wird: Es geht nicht in die Köpfe der Leute, dass auch Menschen, die in ihrer Arbeit erstmal integer und irgendwir „auf der richtigen Seite“ rüberkommen, sexuelle Gewalt verüben. Stattdessen beginnt die Suche nach Gründen, warum Stars, die wir bewundern, eigentlich gar nicht so schlimm sein können. War es nicht auch ok, dass David Bowie mit einer 14-Jährigen geschlafen hat, als der um die dreißig war? Und Woodie Allan, wird da nicht auch übertrieben? Wäre das nicht sehr hart, wenn deren Karriere wegen sowas im Arsch ist?

Er hat’s nicht leicht

Besonders eine von Oliver Polak nacherzählte Sequenz aus Louis C.K.s Mailand Show zeigt, dass letzterer die Verantwortung für seine Taten in humoristischem Gewand herunterspielt:

Ich möchte euch einen Rat geben. Damit möchte ich die Show beginnen. Falls ihr jemals jemanden fragt: Kann ich mir vor dir einen runterholen. Und sie sagen: Ja. Frag noch mal nach: Bist du sicher? Und wenn sie dann Ja sagen… Tu es nicht. Just don’t do it. Schlechte Idee.

Louis C.K. suggeriert, dass er eigentlich gar nichts falsch gemacht hat. In dieser Erzählung ist er bloß ein Typ, der freundlich nachgefragt hat, weil es eben seine Vorliebe ist vor anderen zu masturbieren und das Gegenüber sagt ja. Seine Beschreibungen über sein hartes Jahr erscheinen so als drakonische Strafe für ein kleines Missverständnis. Ich weiß nicht genau, worüber der Typ in seiner Auszeit nachgedacht hat, aber warum ihm Leute Übergriffe vorwerfen, kann es nicht so wirklich gewesen sein. Denn das hier ist ein klassisches Beispiel für Victim Blaming: Er gibt den Betroffenen indirekt eine Mitschuld und leugnet, dass es sich wirklich um Übergriffe gehandelt hat. Sie haben schließlich ja gesagt. Damit bewegt er sich knietief im Morast von Vergewaltigungsmythen, die Täter schützen und das Ausmaß sexueller Gewalt in unserer Gesellschaft herunterspielen. Wenn sich Betroffene nicht gewehrt haben, dann ist es keine sexuelle Gewalt ist einer dieser Mythen, die hier benutzt werden, um den Betroffenen Mitschuld zu geben. Kein Wort verliert Louis C.K. darüber, dass er den Betroffenen gegenüber als Mentor und berühmter Comedian in einer Machtposition war.

Aber warum wird die Verantwortung berühmter Täter heruntergespielt? Ein Teil der Antwort ist, dass es nicht aushaltbar wäre, das Kind beim Namen zu nennen. Louis C.K. zu verteidigen, ihn für seine „harte Zeit“ zu bemitleiden ist ein Versuch sich nicht die Frage zu stellen: Was heißt das, wenn dieser doch eigentlich korrekte Typ „einer von denen“ ist? Heißt das dann nicht, dass alle Täter sein könnten, dass wir die gar nicht mehr daran erkennen können, dass die verrückt oder vermeintlich Fremde sind? Würde das bedeuten, dass wir einsehen müssen, dass es ein gravierendes Problem mit sexueller Gewalt in unserer Gesellschaft gibt? Täter in durchgedrehte, fremde Monster und arme, eigentlich gute Männer, die da was missverstanden haben, zu unterteilen, verschleiert die Allgegenwärtigkeit von sexueller Gewalt. Denn Statistiken zeigen deutlich: Ja, es gibt ein gravierendes Problem und ja, es sind nicht nur psychisch kranke und nicht-weiße Männer, die sexuelle Gewalt ausüben. Ganz im Gegenteil.

Täter sein und lustige Geschichten erzählen schließt sich nicht aus

Louis C.K. ist einer von „denen“, ein Täter. Und das heißt nicht, dass seine Täterschaft sein gesamtes Werk durchziehen muss oder dass er nicht auch andere Eigenschaften hätte, als die gerne vor Frauen zu masturbieren, die ihm an Status unterlegen sind. Dass er andere Eigenschaften hat, als ein Täter zu sein, heißt wiederum nicht, dass er kein Täter ist und dass es nicht gilt sich deutlich an die Seite der Betroffenen zu stellen. Die Vergewaltigungsmythen, dass Täter immer körperliche Gewalt anwenden würden, dass Täter irgendwie nicht „zu uns“ gehören und dass es kein „wirklicher“ Übergriff war, wenn die Betroffenen sich nicht gewehrt haben, führen dazu, dass sich Leute wie Louis C.K. dafür beklatschen lassen können, wie gut sie ihre vermeintlich harte Zeit nach den Taten überstanden haben.

Um einen Fortschritt in diesen Debatten zu erreichen, gilt es das Unbehagen auszuhalten, dass sexuelle Gewalt allgegenwärtig ist und dass Täter Leute sind, denen wir im Alltag begegnen, die weite Teile ihrer Zeit ganz normale Dinge tun. Essen, schlafen, kacken. Solange diese Tatsache keinen Eingang in die mediale Auseinandersetzung und das öffentliche Bewusstsein findet, wird sich nicht grundsätzlich etwas an dem Ausmaß von sexueller Gewalt ändern lassen.


Bilke ist Psychologin und seit ca. 37 Jahren Redakteurin bei FICKO. Ihre Themen sind sexualisierte Gewalt, Männlichkeit, Psychotherapie & manchmal Klassismus.

1 Comment

  • Antworten August 15, 2019

    nönö

    ich würde da noch mal ergänzen: für die, die ck gefeiert haben (das schliesst mich auch ein), ist es noch viel wichtiger ihm zu verzeihen, weil wir es eigentlich alle „wussten“. ck hat sich öfters in seinen gags selbst als den „perversen widerling“, der sich ständig (auch vor anderen) einen runterholt stilisiert. alle haben gelacht. ich auch. und dann kommt raus, dass er eben nicht diesen onanie-macker als verachtenswerte „stereotype“ spielte, sondern die scheisse einfach wirklich bringt, wirklich ist. das auszuhalten, dass du selbst noch vor 2 jahren darüber lachen konntest, ist kein schönes gefühl. dann doch lieber den ekligen versuch zu unternehmen, ihm „zu verzeihen“.

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