#nobodyshaming- jetzt endlich auch mit nackten, fetten Schenkeln!

Voller Trauer stand ich vor meiner Lieblingshose, die ich auf dem Bett ausgebreitet hatte. Denn nur selten finde ich in Frauen-Fettsackgröße 46 eine wirklich gut sitzende, schwarze High-Waist-Skinny-Jeans. Letztes Wochenende hatte ich dann schmerzlich zu spüren bekommen, dass diese super H&M-Hose für 29,99€ nicht jeden Blödsinn, den ich so mache, aushält. Zwei fette Risse zogen sich durch den Stoff. Doch ich wollte sie nicht aufgeben! Also holte ich die Schere, schnitt die Hosenbeine relativ kurz ab und probierte sie nochmal an – großartig! Bei der Hitze ist sie so genau richtig! Schnell zog ich noch die Schuhe an und ab nach draußen. Als ich dann vor der Haustür stand, verschwand plötzlich die Euphorie.

Ich überlegte, wie scheiße es wohl sein würde, wenn ich mit so knappen Shorts gleich durch die Stadt liefe. Von blöden Blicken und Anstarren über Beleidigungen bis hin zu ätzenden Anmachsprüchen ist oft alles dabei, wenn eine Frau in knapper Kleidung sich in Sabber- und Glotzweite von Mackerarschlöchern und Tratschtüten bewegt.

Die Zeitschrift INSIDE nennt meine Beine „Schenkelschande“ oder „Beulenpest“ und das, was ich anhabe, ist kein knielanger, „vorteilhafter“ Hosenrock, der „das Schlimmste“ verhüllen soll.

Meine Beine sollten laut Modeexpert_innen im Sommer mindestens von Bermudas verdeckt oder – noch besser – in weiten Stoffhosen, Maxiröcken und pfiffigen, lässig sitzenden Caprihosen in gedeckten Farben versteckt werden. Hätte ich narbenfreie, noch besser trainierte und ziemlich lange Beine mit glatter Haut, wäre eine Jeansshorts ganz okay. Aber nur für Standfotos bei Insta: #nobodyshaming.

Sobald man sich aber bewegt, wackelt und schwabbelt alles wieder. Das will natürlich niemand sehen. Selbst ich als dicke, nicht ganz unsportliche Frau habe Stellen am Körper, die nachschwingen. Sowas zeigt natürlich niemand, weil das alles wieder so „unvorteilhaft“ ist. Das ist genauso unschön wie die Bauchfalte, die beim Rumlungern auf der Couch aus der tiefsitzenden Jogginghose rausquillt und nicht gut verpackt im trendigen Zweiteiler hübsch drapiert auf dem Retrosofa abgelichtet wird.

Warum machen wir alle bei diesem Blödsinn mit?

Klar, niemand will die Hässliche sein und jeder will selbst ungeschminkt beim Chipsfressen fickbar bleiben. Keine meiner dicken Freundinnen rennt im Bikini von der Liegewiese zum Rand des Schwimmbeckens und springt mit Freude und Gebrüll ins kühle Nass. Stattdessen ziehen wir alle ein bisschen (mehr) den Bauch im hochsitzenden Bikini oder Badeanzug ein und schleichen in Grüppchen zu den Stufen, die ins Wasser führen. Bloß nicht unangenehm auffallen….

Doch in kleinen Schritten tut sich was. Immer mehr Frauen in meinem Umfeld wagen sich auch mit untrainiertem Bauch und ohne BH in kurzen Shirts nicht nur zum Müll- Rausbringen vor die Tür, obwohl das Wort „wagen“ schon wieder falsch ist. Es sollte keine Mutprobe sein, in Kleidung, die man mag oder einem gut tut, das Haus zu verlassen. Eigentlich sollten wir Dellen, Falten, Narben und Dick- oder Dünnsein nicht als Makel betrachten, sondern als das, was es ist: Ein Teil unseres Körpers.

Meine Hängetitten, mein Schwabbelhintern und mein vernarbter Rücken gehen nur mich etwas an. Sollte ich um Ernährungstipps bitten, kann man gerne seinen Senf dazu abgeben. Ungefragte Beautytipps sind aber scheiße. Mach nicht seltsame Komplimente wie: „Hey, du bist gar nicht dick, du bist doch voll schön!“ Doch, ich bin dick. UND ich bin schön. Das eine schließt das andere nämlich nicht aus.

Außerdem haben dicke Frauen nicht nur „schöne Augen“. Sie sind nicht nur „die Lustigen“ und müssen nicht froh sein, wenn sie mal ein heißes Date „abbekommen“.

Ach, was rege ich mich wieder auf. Bin bestimmt nur wieder hungrig. Ich geh‘ mal eben eine schwarze, blickdichte Strumpfhose und einen Rock anziehen und freu‘ mich aufs Totschwitzen in der Bahn, die bestimmt wieder zu spät kommen wird.

3 Comments

  • Antworten Juni 19, 2017

    Anne

    selbst wenn ich mit fettigen haaren unrasiert und in dreckigen jogginghosen seit 12 stunden mit dem notebook auf dem bauch im bett liege bin ich noch fickbar. scheiß gesellschaftsbild das menschen oft so viel müll in den kopf setzt.

  • Antworten Juni 19, 2017

    andrea

    Ah! Perfekter Zeitpunkt: 30°, Sonne; Leggings sind keine Option heute.
    Danke dir.
    Grüße von einer, die Beine und Hintern heute nicht verstecken mag 😀

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