Your Comfort, My Silence?

Ich hab die Hand genommen, weggeschoben, mich umgedreht und still geweint. Nur kurz. Böse meinte er es erst recht nicht und hätte er mich weinen sehen, hätte er auch aufgehört. Ich wollte kein großes Drama draus machen, weil ich dachte zu wissen, dass er es wirklich nicht einzuschätzen wusste. Beim Sex ins Gesicht geschlagen zu werden, mochten einige Ex-Freundinnen im Gegensatz zu mir, erfuhr ich, als ich es beim Warten aufs Essen in einem Imbiss angesprochen habe. Fremde Frauen diffamieren und sagen, wie krank das ist, war mein erster Impuls. Das hat ihm und mir aber nicht geholfen und die Frauen die drauf stehen, sind nicht das Problem. Sondern die Menschen, die nicht vorher fragen, wie das Gegenüber dazu steht. Ich wollte ihm also sagen, wie wichtig Kommunikation ist und wie das bei mir ankam, dass und warum es weh tat, seelisch. Das Gespräch war, wie zu erwarten in einem Imbiss, nicht zielführend. Es wurde laut und hatte nicht den Tenor, den ein Gespräch haben muss, um offen und unvoreingenommen über Neigungen und Abneigungen beim Sex zu sprechen. Wir haben es also erst mal ignoriert. Ich. Meine Gefühle dazu.

Angst zu vertrauen habe ich nicht insofern, als dass ich fürchte, mein Partner könne andere Menschen attraktiv finden oder gar intim mit anderen Menschen werden. Vertrauen bedeutet für mich, dass mein Innerstes, wenn ich es oder zumindest Teile davon offenbare, nicht gegen mich verwendet wird, und auch, dass versucht wird, zu verstehen ‚where I come from‘. Man ist Summe seiner Erfahrungen und ich habe mir angewöhnt in vorauseilendem Gehorsam zu erklären, was an mir wie sehr und warum kaputt ist. Das habe ich leider auch hier wieder getan. Vor Jahren war ich in einer Beziehung, die nach dem himmelhohen Jauchzen, nur noch blaue Handgelenke und Wutausbrüche für mich übrig hatte. Die Hintergründe und Details habe ich ihm zum Teil erzählt und gehofft, dass es ihn dadurch bewegt rücksichtsvoll zu sein und zu verstehen, dass wir den Moment, in dem sich etwas zwischen uns ändert, nicht verpassen dürfen. Streits wurden stets nach diesem Gusto geführt. Ein kurzer Schlagabtausch; Pause; Um dann meinen Wunsch nach echter, gehaltvoller Aussprache abgeschlagen zu bekommen.

Die Debatte hatte nur Platz für seine Sensibilität

Einmal kam er betrunken zu einem Treffen, bei dem wir den letzten Streit ausdiskutieren wollten. Ich habe ihn die ganze Nacht ‚versorgt‘. Der vierte Tag in Folge, den ich kaum geschlafen habe, weil er bei mir war, ohne dass irgendwas angesprochen werden konnte. Wie die meisten Nächte neben ihm (eine Mischung aus seinem Schnarchen und meinen Sorgen verbot es mir seit Wochen, anständig zu schlafen) war an erholsamen Schlaf nicht zu denken. Das belastet. Tagsüber war ich wochenlang müde und energielos. Das Gespräch fand nie statt. Als ich meine Enttäuschung darüber kundgetan habe, habe ich gelernt, dass er eben sehr sensibel sei. Aha. Und das war auch das Ende der Debatte. Es hatte also nur Platz für seine Sensibilität. Ich habe ihm dann irgendwann immer wieder vorgeschlagen, eine offene Beziehung zu führen. Weil man dann vielleicht woanders bekommen kann, was die Partnerin beim Sex z.B. nicht möchte. Es wurde nur abgeblockt und ich habe die Beziehung dann irgendwann beendet. Meine Intention mit dem Vorschlag war, zu erreichen, dass ich mir keinen Kopf darüber machen muss, ob ich genüge, oder er z.B. beim Verstehen meines Seelenlebens genug einbringt.

Die Beziehung vorbei, haben wir immer wieder ziemlich unterschiedliche Phasen miteinander gehabt. Mal wollten wir Freunde bleiben, mal war alles zu viel und ich sollte bloß weg bleiben. Es war für mich wie Russisch-Roulette. Er sagte, er brauche Zeit, um mit mir sprechen zu können. Nachdem wir irgendwann einen Nachmittag miteinander verbracht hatten (in der seltsamsten Stimmung, die man sich vorstellen kann), habe ich noch einmal gefragt, ob wir nun endlich ein einziges Mal doch reden könnten über das, was alles so passiert war und dazu geführt hatte, dass wir nicht mehr zusammen waren (es gab ja noch sehr viel mehr zu klären, als nur das, was im Imbiss nicht möglich war), hat er komplett abgeblockt und wurde das erste Mal sauer ob meines Bedürfnisses nach Aussprache. Obwohl er es immer wieder in Aussicht gestellt hat. Er könne das nicht; mit mir reden. Und ich hätte das zu respektieren. Im Grunde bestimmte er schon die ganze Zeit während der Beziehung wann, ob und wie wir miteinander sprechen. So also auch danach. Das war der Anfang von einem wochenlangen Whatsapp-Zirkus, in dem ich als Tanzbär aufgetreten bin… schon wieder, ohne gefragt zu werden. Er schreibt einen Text und blockiert, verfasst währenddessen eine weitere Nachricht, entblockt und schickt die neu verfasste dann schnell wieder, um mich dann direkt wieder zu blocken. Man bekommt also Dinge an den Kopf geworfen, Fragen gestellt, muss sich anhören, wie einem die Worte im Mund verdreht werden und kann nicht antworten, Stellung beziehen. Nirgends. Kein Medium oder Kanal, bei welchem man nicht geblockt ist. Wie fingerfertig er sein muss für diese Art der selbstgefälligen Kommunikation.

Das Nicht-Reden-Wollen ist das Schlimmste daran

Ich habe es irgendwann nach Wochen kaum mehr ausgehalten und ihm gedroht zur Polizei zu gehen, wenn er sich nicht endlich dem Gespräch stellt bzw. mich auch mal zu Wort kommen lässt. Ich habe es satt diese Scheiße mit mir selber auszumachen. Das war sehr impulsiv von mir. Ich würde nicht zur Polizei gehen, zumal ich weiß, wie wenig das bringen würde. Außerdem ging es mir ja darum, dass aus dieser Situation nicht schon wieder eine eklige Erfahrung würde, sondern eine Veränderung stattfindet oder zumindest der Anreiz für ihn, darüber nachzudenken, entsteht. Ich konnte aber nicht mehr aufnehmen, was er sagte, ohne auch irgendein Druckmittel zu verwenden. Es brachte natürlich nichts. Ich habe mir die ersten Wochen nach der Trennung selber den Rat gegeben: Aussitzen, mit Leuten sprechen, die ein oder andere Tüte macht den Kopf frei. Lesen (ich habe in zwei Wochen drei Bücher gelesen). Aber das einzige, was wirklich hilft für jemanden wie mich, ist Aussprache. Meine Freunde hören mir zu und fangen mich auf. Aber was hilft es, wenn es mir um SEIN Verständnis für die Sache geht. Ich wollte ihm die Chance aufzwingen zu verstehen, was er da getan hat und warum das nicht das Allerschlimmste ist, was man tun kann, warum das aber auch mehr als ein Missverständnis ist und in der Zukunft eben anders behandelt werden sollte.

Ich habe immer wieder großes Wohlwollen an den Tag gelegt, weil ich überzeugt davon bin, dass man Menschen auch mal „abholen“ muss. Ich hätte ihm gerne gesagt, dass er mir nichts Schlimmes „angetan“ hat, sondern dass er einfach immer noch stark von seiner – leider ganz gewöhnlichen – sexistischen Prägung vereinnahmt ist. Und dass das Nicht-Aufarbeiten-Wollen das für mich eigentlich Schlimme daran ist. Denn es veränderte ihn für mich. Es ist vielmehr das Nicht-Erlauben, darüber zu sprechen, als das Schlagen an sich. Und dadurch, dass ich aus Rücksicht auf seine Gefühle nichts mehr dazu äußern konnte, tat alles noch mehr weh. Weil auf meine keine Rücksicht genommen wurde. Ich hätte gerne direkt darüber gesprochen, wie ok das ist, wenn Paare auf diese Praktiken stehen und ich niemanden an die Wand stellen oder verurteilen möchte für deren Lust. Man kann beim Sex mit Kleinigkeiten Vertrauen zerstören. Und für mich war es das. Es hat sich in andere Gefilde unserer Beziehung eingenistet. Nichts davon erreichte ihn je.

Er braucht keine feministische Belehrung, er ist antifa

Ich habe irgendwann Leuten geschrieben, die ihn kannten oder gar befreundet mit ihm sind mit der Bitte zu vermitteln. Dann ist er völlig ausgeflippt. So aggressiv habe ich ihn noch nie gehört. Und hier kommen wir zum eigentlichen Punkt. Er will nicht abgeholt werden. Sein Interesse an Feminismus galt nur, solange es einfach war. Solange es die anderen bleiben. Er ist ein antifaschistisch Aktiver und braucht keine Belehrungen in Gutmenschlichkeit oder Antifaschismus. Meint er zumindest. Das ist ein ganz klarer Standpunkt: Er ist einer von den Guten, was er tut, kann also nicht problematisch sein. Kognitive Dissonanz. Er würde lieber im Boden versinken, als vor seinen Freunden und Bekannten zugeben zu müssen, noch etwas lernen zu müssen. Die eigentliche, meist theoretische Arbeit, seine anerzogenen Sexismen zu hinterfragen und zu dekonstruieren, ist anstrengend und weniger ruhmvoll, als an vorderster Front gegen Neonazis zu kämpfen. Das ergibt keine Narben, mit welchen man prahlen kann. Dass es für mich und die meisten anderen aber keinen Unterschied macht, ob derjenige, der dir ungefragt zum Kommen ins Gesicht haut, Antifa oder Tischtennis-Club ist, ist irrelevant. Sein Status ist sein Schutz. Er ist schwarzer Block. Engagiert, furchtlos, stark. Ich bin nervige Feministin. Übertrieben, nervig, emotional. Er ist vernetzter und etabliert in der Szene. Und er hat das soziale Kapital, das mir fehlt, um unbeschadet aus so einer Sache raus zu kommen. Was das nun für den Umgang hiermit bedeutet: Er behauptet mittlerweile, ich lüge. (Ich würde die Kellnerin aus dem Imbiss gerne ausmachen, die verstohlen rüber geschaut hat, als es laut wurde.)

Die Kontaktaufnahme über seine/unsere Bekannten hat ihn so wild gemacht, dass diese Geschichte, anstatt sie aufzuarbeiten und dann in Frieden getrennte Wege zu gehen, ihn dazu brachte mir Dinge zu sagen, wie dass „die Kacke am dampfen ist, Alte“ und „dann haben wir beide ein ganz großes Problem“ und ob ich „Gestörte“ nicht einen Knall hätte. Das Ding ist, den kriege ich noch, wenn die Dinge so weiterlaufen. Meine Bitte, die ich am Anfang unserer Beziehung an ihn gestellt habe, meine Geschichte mit einem anderen Ex-Freund nicht gegen mich zu verwenden, hat er auch abgeschlagen und gesagt, er könne nun verstehen, warum ich in der Vergangenheit habe leiden müssen. Ja, weil die Frauen, die unter Männern, die ihnen weh tun, leiden, am Ende auch für antifaschistische Macker eben selbst schuld sind. Ich solle mir gut überlegen, was ich sage und wie ich mich weiter verhalte. Das ist eine Drohung. Als Antwort auf meine, zu den Bullen zu gehen. Schon klar. Das Ding ist nur, ich lüge nicht und er verweigert sich dem Gespräch, welches mir, als die Ins-Gesicht-ohne-zu-fragen-Geschlagene, doch irgendwie zusteht. Meine Drohung rührt von der Verzweiflung her, schon wieder alles mit mir ausmachen zu müssen und seine rührt daher mich einschüchtern zu wollen und nicht „genervt“ zu werden mit Dingen, die ihn eh schon lange nicht mehr berühren.

Ich hätte nach der Aktion aufstehen, mich anziehen und ihn rausschmeißen können. Stattdessen wählte ich Selbstschuldzuweisung (Habe ich die falschen Anzeichen gegeben? Bin ich verklemmt?) und Wohlwollen. Das war fatal. Er hat abgeschlossen damit und empfindet mein Bedürfnis, darüber zu sprechen einfach als extrem nervig und unnötig. Hätte er die emotionale Anstrengung, das aufzuarbeiten, investiert, wenn er gedacht hätte, es lohne sich, weiß ich nicht. Jetzt ist aber Schluss. Jetzt lohnt es sich nicht mehr für ihn. Für ihn war es schließlich auch vorbei irgendwann und wieso sollte er noch emotional in eine investieren, mit der es nicht mehr zu klappen scheint. Sich auszuwählen, ob und inwieweit man sich mit dem Schmerz, den solche Dinge verursachen, beschäftigt ist ein Privileg, das ICH nicht besitze.

2 Comments

  • Antworten August 22, 2017

    Mara

    Liebe Bec,

    ganz, ganz übel, wie Dir dieses Arschloch mitgespielt hat und leider immer noch mitspielt – mir wird echt schlecht!

    Für mich stellt sich dieser Typ als waschechter Narzisst oder ggf. sogar Psychopath dar, und zwar im klinischen Sinne. Von so einem kannst Du leider keinerlei Einsicht, geschweige denn Mitgefühl erwarten, auch wenn Du Dich noch so sehr danach sehnst. Das einzige, das ihn interessiert, ist er selbst. Aus genau diesem Grund solltest Du auch alles tun, um DICH zu schützen (ist leider viel leichter gesagt als getan), z.B. ihn bei Whatsapp & Co. blocken etc. pp.

    Googel Dich mal ein bisschen schlau, es gibt einige gute Seiten und Foren zu dem Thema, z.B.:
    https://politisches.blog-net.ch/2016/07/13/20-ablenkungstaktiken-von-hoch-manipulativen-narzissten-soziopathen-und-psychopathen-um-dich-zum-schweigen-zu-bringen/

    Vielleicht hilft es Dir, zu verstehen, dass nicht Du „schuld“ bist, sondern dass dieses verfi… Arschloch es einfach nicht wert ist, dass Du weiterhin Deine Zeit damit vergeudest, über ihn nachzudenken und zu grübeln, was mit ihm nicht stimmt, oder wie Du ihn zu einer echten Aussprache bewegen kannst.

    Ich bin vor einiger Zeit auch mal an einen hochgradigen Narzissten/Psychopathen geraten, und habe einfach nicht begreifen können, warum der für mich so unlogisch und unverständlich handelt. So ein Verhalten kannte ich einfach nicht aus der realen Welt, höchstens aus Dallas oder Denver Clan. Ich wäre vorher nie auf die Idee gekommen, dass es solche Menschen im normales Umfeld tatsächlich gibt, ich hab solche Charaktere in Filmen oder Serien immer für total übertrieben gehalten. Pustekuchen!

    Mir hat es sehr geholfen, mich über Narzissten/Psychopathen schlau zu machen, einfach weil ich jetzt endlich Erklärungen für sein Verhalten gefunden habe. Außerdem konnte ich so eine funktionierende Strategie finden, um ihn los zu werden und ihn in seine Schranken zu weisen, ohne dass ich Angst vor Gegenmaßnahmen und Vergeltung seinerseits haben muss.

    Und zum Thema „er wäre so ein toller Antifaschist“: Das ist wahrscheinlich einfach die Nische, die er für sich gefunden hat, um sich zu profilieren und den Dicken zu markieren. Unter Umständen ist es sogar noch perfider – er hat sich ausgerechnet die linke Szene ausgesucht, weil er sich hier noch besser „austoben“ kann, weil hier nicht mit sowas gerechnet wird, siehe Wolf Down. Aber das ist jetzt echt Küchentischpsychologie …

    Ich wünsche Dir jedenfalls alles Gute, und, dass Du diesen Wichser bald aus Deinem Kopf vertrieben hast!

    • Antworten August 28, 2017

      Bec

      Liebe Mara,

      Entschuldige die späte Antwort. Danke für deine lieben und emphathischen Worte. In der Tat geht es jetzt nur noch um Selbstschutz, denn ich hab mehr als genug getan. Momentan schlägt er wild um sich und zeigt damit deutlich, dass ihm die Aufarbeitung egal ist. Ich emanzipiere mich also gerade von meiner eigenen Schuldzuweisung. Dein Kommentar ist leider bezeichnend für unsere neue Reihe. Das passiert überall und wie du m.E. richtig anmerkst, kann es noch perfider sein, wenn der Täter seine soziale Stellung dabei ausnutzt. Hoffentlich konntest auch du dich von ihm lösen und (auf) dich selbst achten.

      Vielen Dank Mara und auch dir alles Gute,
      Bec

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