DB Security und Polizei gegen Zivilcourage

Am 27.7.2017 kam es in Berlin am Bahnhof Friedrichstraße zu einem Übergriff auf einen obdachlosen Mann durch Angestellte der DB Security. Als mehrere Passant_innen verbal intervenierten und filmten, griffen die Securities sie ebenfalls an, einer schlug eine Zeugin zu Boden. Die daraufhin gerufene Polizei nahm die Daten des durch mehrere Zeug_innen bestätigten Täters nicht auf, aber nahm den obdachlosen Mann mit. Hier der Bericht und das Video einer Zeugin:

„Am Donnerstag, den 27. Juli 2017 wollte ich nach der Arbeit mit der U6 nach Hause fahren. Ca 19h30: Auf dem Weg zur U6 (Eingang Friedrichstr/Georgenstr neben dem Gerry Weber Edition Store) sah ich eine kleine Gruppe Passant*innen die sichtbar aufgeregt waren und etwas mit ihren Handys filmten, was für mich noch von den Pfeilern verdeckt war (aus der Richtung kamen Schreie und laute Männerstimmen). Ich ging einige Schritte weiter und erkannte, dass die Passant*innen eine Gruppe von DB-Sicherheitsbeamten filmten, die auf einem auf dem Boden liegenden Mann saßen und ihn heftig auf den Boden drückten. Die 3-5 DB-Securities knieten um ihn herum und hatten soviel ich sehen jeweils ein Knie *auf* dem Mann und drückten mit sichtbar großer Kraftanwendung seine Arme verschränkt hinter seinem Rücken, mehrere Hände drückten seinen Kopf auf den Boden, eine Hand drückte seine Schläfe und verdeckte so das halbe Gesicht. Ich konnte nur einen Teil des Gesichts des am Boden liegenden Mann sehen  er rief mehrmals “Help!” und hatte ganz offensichtlich Schmerzen.

Die anderen filmenden Passanten waren über die exzessive Kraftanwendung empört und riefen mehrere Male, er habe doch nichts gemacht, dass sie die Situation von vorne an beobachtet hätten, sie riefen, dass die DB Sicherheitsbeamten aufhören sollten, den Mann zu misshandeln. Ich holte mein Handy aus meiner Jackentasche und begann zu filmen; ich hielt mich dabei immer einige Schritte *hinter* die filmenden Passanten und blieb still. Ein DB Security stand zwischen der Gruppe seiner Kollegen und der der filmenden Passanten, um zu verhindern, dass sie sich weiter näherten, und lief hin und her; ein anderer schrie die Passanten an, sie sollten aufhören zu filmen, verlangte, dass sie die Videos sofort löschen sollten, griff mehrere Male nach den Handys; er war sehr aggressiv und seine Körpersprache war sehr aggressiv und aufgeregt. Die zwei Frauen unter den filmenden Passanten sprachen am meisten mit den DB Securities; wiederholten, es sei ihr gutes Recht zu filmen, und dass sie alles von Beginn an gesehen hätten, weil sie im gleich neben uns geparkten Auto saßen und von dort aus alles gesehen hätten, und dass sie gegen das brutale Vorgehen der DB Security gegen den “Penner” aussagen würden, dass es vollkommen inakzeptabel sei. Einer der DB Sicherheitsbeamten marschierte auf uns zu und schrie weiter, wir sollten aufhören zu filmen, sollten die Videos löschen, verlangte, dass wir (die Passantengruppe) den Bahnhof sofort verlassen sollten, wobei eine der Frauen antwortete “Ich habe den Bahnhof nicht betreten” (wir waren auf dem Bürgersteig, nicht im Bahnhofsbereich). Der DB Sicherheitsbeamte blickte immer wieder zu mir und sah, dass ich filmte, verlangte auch von mir, dass ich aufhören solle, zu filmen, es sei verboten; ich antwortete mit ruhiger Stimme ”Wir dürfen filmen”. Er versuchte immer wieder mein Handy zu greifen und es mir aus den Händen zu reissen, ich hielt es fest und immer wieder ging einige Schritte nach hinten, um nicht in seiner Reichweite zu sein, und weil er sehr aggressiv war; ich stellte mich wieder hinter die zwei Frauen, die weiterhin filmten bzw riefen, der Obdachlose habe nichts gemacht, um eine solch extreme Gewaltanwendung zu rechtfertigen.

Der Security lief mir nach (seine Aufmerksamkeit und Aggression schien spezifisch auf mich fixiert) und stieß mich mit viel Kraft in die Schulter, sodass ich fast fiel; ich rief “Fass mich nicht an” und ging mehrere Schritte nach hinten; alle Passanten protestierten laut und sagten, es sei auch inakzeptabel, körperlich gewalttätig mir gegenüber zu werden. Ich sagte dem DB Sicherheitsbeamten “Du hast mich geschlagen” er antwortete “Nö, hab ich nicht” (mir fiel das deutsche Wort für “stoßen” nicht ein, ich suchte nach den Worten um einen Satz zu formulieren; er machte sich über mich bzw. mein Deutsch lustig (ich spreche fließend Deutsch, war nur momentan schockiert darüber, dass ich so stark gestoßen wurde und er dann Sekunden danach, obwohl es alle gesehen hatte, leugnete, es sei passiert, und mich grinsend als Lügnerin darstellte, so dass mir auf Anhieb nicht die richtigen deutschen Worte einfielen. Ich trat einige Schritte nach hinten, um außer Reichweite des gewalttätigen aufgeregten DB Security zu sein, der es auf mich abgesehen hatte; fragte die Passant*innengruppe, was den hinsichtlich des obdachlosen Mannes geschehen sei, wie es zu der Situation kam. Sie sagten, sie hätten beobachtet, wie die Gruppe von DB Sicherheitsbeamten auf dem an einem Pfeiler im Bahnhofseingansgbereich sitzenden Mann zugegangen seien und ihn aufgefordert hatten, den Bahnhof zu verlassen, und als er nicht sofort gehorcht hätte (er brauchte einige Sekunden um aufzustehen) sie ihn gezerrt hatten und sich dann alle auf ihn gestürzt hatten, obwohl der obdachlose Mann nichts getan hatte, überhaupt nicht gewalttätig war.

Die Passant*innengruppe bestand aus zwei befreundeten Frauen und zwei Männern, alle deutsch und weiß, alle im Alter von ca. 35–45 und in klassisch professioneller Bürokleidung des Mittelstandes. Sie versichterten mir, sie würden auch hinsichtlich der Gewaltanwendung gegen mich (den Stoß) aussagen. Ich bedankte mich und sagte, wir sollten die Situation mit dem obdachlosen Mann nicht aus den Augen verlieren, der noch immer von mehreren Securitys auf den Boden gedrückt wurde und noch immer um Hilfe flehte. Wir filmten weiter und derselbe DB Sicherheitsbeamte marschierte wieder auf mich zu (obwohl ich einige Schritte hinten war) und schrie etwas wie “ich hab gesagt du sollst aufhören zu filmen!” und schlug mich mit der Faust ins Gesicht (er benutzte seine rechte Hand und traf meine linke Schläfe/Wangenknochen); ich taumelte und fiel zu Boden. Später stellte ich fest; dass beim Schlag oder Sturz wohl mein Handy gegen mein Gesicht prellte und ich daher jetzt eine Prellung an der linken Seite meiner Nase habe, und dass beim Sturz der Bildschirm meines iPads, das in meiner Tasche war, zersprang. Auch heute, 4 Tage nach dem Vorfall, sind meine linke Schläfe + Wangenknochen und Nase schmerzhaft). Die Augenzeug*innen protestierten laut, waren sehr schockiert. Ich war glaube ich 1-2 Sekunden bewusstlos oder sehr verwirrt; richtete mich aber schnell wieder auf aus Angst vor weiteren Schlägen (ich hatte ja gesehen, wie sie den obdachlosen Mann behandelten und auf dem Boden festdrückten).

Der DB Sicherheitsbeamte war sehr stolz auf seine Aktion und wirkte wie “high”, Testosteron-trunken, stolzierte herum, nun da er seine Macht bewiesen hatte; ich verlangte seinen Namen zu wissen, er weigerte sich; ich verlangte seine Dienstnummer zu wissen, er streckte mir seinen um seinen Hals hängenden Dienstausweis ins Gesicht; ich versuchte davon ein Foto zu machen, war aber noch zu sehr vom Schlag und Schock verwirrt, als dass ich meine Handykamera richtig betätigen konnte, und der Sicherheitsbeamte hielt den Ausweis natürlich auch nicht still; daher ist das Foto unscharf. Ich bat den neben mir stehenden anderen Zeugen, den Sicherheitsausweis auch zu fotografieren, seine Antwort war “Ich habe alles gefilmt”. Die zwei Frauen riefen die Polizei und erklärten alles kurz telefonisch (den ersten Angriff auf den obdachlosen Mann, und wie ich dann angegriffen und geschlagen wurde). Nach dem Auflegen sagte die Frau, die Polizei hätte ihr gesagt “Sie wissen schon dass das mit dem Filmen nicht erlaubt ist” (was soviel ich weiß gelogen ist).

Die Passant*innen / Augenzeug*innen versicherten mir, sie würden gegen den DB Sicherheitsbeamten aussagen. Er und seine Kollegen verlangten noch immer, wir sollten aufhören zu filmen und die Videos löschen, sie griffen immer wieder nach unseren Handys. Ich sagte erneut, wir sollten die Situation mit dem obdachlosen Mann nicht aus den Augen lassen; wir näherten uns der Gruppe um zu sehen wie es dem Mann ging (da viele festgenommenen Menschen in dieser Position ersticken oder Knochenbrüche erleiden); wieder wurden wir von DB Sicherheitsbeamten blockiert. Eine weibliche DB Sicherheitsbeamtin kam auf uns zu (weiß, ca. 50, ca. 1,60m. Kurze blonde Haare, kräftiger breiterer Körperbau) und sagte im resoluten Ton: “So, würden Sie diese Videos bitte sofort löschen”, was wir natürlich nicht taten, und auch ihr gegenüber das grobe Unrecht dieser ganzen Situation und die extreme von den DB Sicherheitsbeamten ausgehende Gewalt zu erklären versuchten, sie erklärten, wie der DB Sicherheitsbeamte, der nun direkt neben dieser weiblichen DB Angestellten stand, mich geschlagen hatte, daraufhin sagte er sehr selbstsicher und laut “Ich habe sie nicht geschlagen” und alle Augenzeugen riefen “das ist eine glatte Lüge, wir haben’s doch gesehen und werden aussagen”. Der andere Augenzeuge sagte zu uns, wir sollten lieber überhaupt nicht mit den DB Sicherheitsbeamten sprechen, wir hätten ja alles gesehen, könnten alles bezeugen und es sei verlorene Energie, die DB Sicherheitsbeamten von dem Unrecht zu überzeugen, da sie das Ganze ganz offensichtlich vertuschen wollten und sie ganz klar die Haltung hätten, sie könnten wenn sie wollten Gewalt anwenden und es effektiv vertuschen – eine Gelassenheit, die wohl daher kommt, dass solches Vorgehen für sie ziemlich Routine ist. Die Polizei kam (ein Streifenwagen und ein nicht markierter Wagen mit nicht-uniformierten Polizisten, darunter eine Frau); die meisten Polizisten gingen zur Gruppe mit dem obdachlosen Mann und einer ging zu uns.

Wir versuchten einem Polizisten zu erklären, was geschehen war. Wir zeigten den DB Security, der mich geschlagen hatte, und der nur einige Meter weiter weg stand. Der Polizist sagte, alle Augenzeugen müssten mit zur Polizeiwache und dort ihre Aussage machen. Ich stand noch unter Schock und wollte in Sicherheit, darüber hinaus musste ich auch noch arbeiten, daher sagte ich, ich könne nicht mitkommen, würde mich aber später melden und meine Aussage machen und Anzeige erstatten. Ich befürchtete auch, dass wir von der Polizei dazu gezwungen würden, die Videos zu löschen. Wir 5 Menschen aus der Passant*innengruppe tauschten untereinander unsere Kontaktdetails aus. Wir stellten dann fest, dass der obdachlose Mann inzwischen von den Polizisten festgenommen und in den Polizeiwagen gebracht worden war; die DB Security-Gruppe verschwunden war; die Polizei hatte den Mann, der mich geschlagen hatte, gehen lassen, auch wenn wir ihn ganz deutlich als Täter identifiziert hatten.

Die Zeug*innen und Polizei fuhren zur Wache; ich machte mich auf den Weg nach Kreuzberg. Ich sah, wie eine volle Plastiktüte und Liegematte, die offensichtlich dem obdachlosen Mann gehörten, einfach hinterlassen wurden (1-2 Meter von der Stelle an der er zu Boden gedrückt worden war). Etwas 20 Minuten später kontaktierte mich eine der Zeuginnen auf Whatsapp, während sie auf der Wache war um zu fragen ob ich das Foto mit der Dienstnummer des Täters schicken könne, die Polizei habe danach gefragt; ich schickte das leider viel zu verschwommene Foto (wieso sie die Personalien des Angreifers vor Ort nicht aufgenommen haben, auch wenn 4 Augenzeug*innen und das Opfer ihn klar identifizierten, “ist mir ein Rätsel”.) Wieso ich von den 5 Passant*innen/Augenzeug*innen, die schon viel länger als ich da waren und gefilmt haben, und sich aktiv mit den DB Sicherheitsbeamten auseinandergesetzt hatten, als einzige als Objekt körperlicher Gewalt ausgesondert wurde, ist mir auch “ein Rätsel” (ich hatte mich im Hintergrund aufgehalten und kaum gesprochen).“

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