Von der “Ms. Foundation for Women” zum zweiten Mal herausragendes Engagement für die Emanzipation von Frauen honoriert. Dieses Jahr könnte er zum ersten Mal an einen Mann gehen. Als ich gelesen habe, dass dieses Jahr gleich mehrere Männer für die Auszeichnung nominiert sind, habe ich, wie wohl die ein oder andere, erstmal kurz geschluckt. Geht es hier nicht um Frauenrechte? Sollten dann nicht diejenigen für ihre Arbeit belohnt werden, die die Unterdrückung und die Verletzungen durch patriarchale Gesellschaftssysteme am eigenen Leib erleben? Ist Feminismus nicht Frauensache?
Kurz nachdem ich über diese Auszeichnung gelesen habe, habe ich mir die neue Netflix-Serie “Master of None” von Aziz Anzari, einem der Nominierten für den Preis, angesehen und meine Meinung geändert. Die Produktion hat es geschafft, mich davon zu überzeugen, dass die vier Gründerinnen der Organisation, die den Award verleiht, Patricia Carbine, Letty Cottin-Pogrebin, Gloria Steinem, Marlo Thomas and Marie C. Wilson hier vielleicht eine richtige Richtung anschlagen. Sie begleiten, dokumentieren und promoten intersektionalen Feminismus, bei dem es vor allem darum geht Menschen aller Gender, ethnischer Herkünfte und sozialer Backgrounds die gleichen Chancen in der Gesellschaft zukommen zu lassen, schon seit den frühen 70er Jahren in den USA. Einem Land, in dem noch 2014 das Wort “Feminist” weit vorne in der Liste für das Unwort des Jahres lag.
In Deutschland gibt es eine solche Auszeichnung derzeit nicht und das mag unter anderem daran liegen, dass Prominente hier einen geringeren Stellenwert genießen, als in den USA. Dennoch sind einige der grundsätzlichen, strukturellen Probleme hierzulande ähnlich. Denn auch hier ist die Gleichberechtigung aller gesellschaftlicher Minderheiten noch lange kein abgeschlossener Prozess. Auch, wenn ich nach wie vor denke, dass die Führungsrollen im Feminismus durch Frauen besetzt werden sollen, die eine Stimme bekommen, um Wünsche und Bedürfnisse zu äußern, halte ich es für keine schlechte Idee, Männer für diesen Preis zu nominieren.
Natürlich sind alle der nominierten Kandidatinnen für den amerikanischen Feminismus-Preis überaus qualifiziert, zeichnen sich neben erfolgreichen Karrieren in der Medieninindustrie durch ihren ausgesprochenen Einsatz für Frauenrechte aus und sie alle verdienen den Preis, dem weitreichende Recherche die non-profit Organisation vorangeht. Unter den Nominierten sind dieses Jahr keine geringeren als Margaret Cho, Ellen DeGeneres, Amy Schumer, Tracee Ellis Ross und Laverne Cox, die vor allem für ihr intensives Engagement für die LGBT-Community bekannt ist.
Letztes Jahr wurde Emma Watson ausgezeichnet, was nicht nur positive Wellen schlug. Sie sei zu jung, zu weiß, zu privilegiert. Überhaupt hätte sie doch eigentlich zu wenig gelitten, um für ihr Engagement als Frauenrechtlerin ausgezeichnet zu werden. Erstmals sind dieses Jahr auch mehrere Männer in der Liste der Nominierten zu finden und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich auch darüber missgünstig und verständnislos geäußert wird. Das Internet ist schnell und gerade der feministische Diskurs wird viel über online Plattformen wie Tumblr und Co. ausgetragen. Auch, der oder die Gewinnerin des Awards wird demokratisch im Internet abgestimmt. Mitvoten kann jeder und jede in den USA bis zum 14. Dezember.
Es mag also erstmal absurd erscheinen, einen Mann für diese Position auszuwählen, geht es doch um Frauenrechte. Aber: Feminismus geht alle etwas an. Die 1973 gegründete non-profit Organisation, die in Kollaboration mit dem Cosmopolitan Magazin seit letztem Jahr diesen Award vergibt will genau das durch ihre Arbeit und diese Preisverleihung in öffentliches Licht rücken.
Themen wie sexuellen Missbrauch, Sexualbildung, die Stärkung der Rechte von Mädchen und Frauen stehen in ihrem Fokus. “The Ms. Foundation for Women celebrates feminists all year long – women and men who believe in social, economic and political equality, working every day to change the conversation and build a more equal society for ALL genders. The celebrities listed above were nominated because they not only publicly identify as feminists, but work to change the national and international dialogue around diversity, inclusiveness and intersectionality” (Ms. Foundation for Women).
Es geht um die Gleichbereichtigung aller Geschlechter und diese kann nur in die Tat umgesetzt werden, wenn sich daran auch Mitglieder aller Gesellschaftsgruppen beteiligen. Männer für einen Feminismus-Award zu nominieren ist also ein überaus wichtiges Statement, durch das hoffentlich in der öffentlichen Wahrnehmung ein klein wenig mehr Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass Feminismus kein böses Wort ist. Dass man sich als Mann wünscht, die eigene Frau, Freundin, die Mutter, Oma, Tochter und Chefin sollten genau so fair behandelt werden, wie Mann selbst, sollte nichts sein, was hinter vorgehaltener Hand genuschelt wird.
FeministIn zu sein, sollte eigentlich auch schon längst nichts mehr sein, wofür man einen Preis verliehen bekommt, sondern Normalität. Die Tatsache, dass 2015 aber das erste Jahr ist, in dem überhaupt männliche Nominierte für den Preis in Frage kommen, zeigt, wie sehr das Ringen um ein gleichberechtigtes Leben bislang Frauen überlassen wird.
In Zeiten, in denen mir andere, gut ausgebildete Frauen meines Alters mit ungläubigem Blick abzustreiten versuchen, dass sie Feministinnen sein könnten, wenn ich versuche ihnen zu vermitteln, dass sie durchaus ein emanzipiertes, feministisches Leben genießen und, dass sie den FeministInnen der ersten Stunde ein großes Stück Freiheit verdanken, dass sie wegen genau diese Frauen, von denen sie sich so deutlich distanzieren aber ihr Einkommen selbst bestreiten können, Beziehungen zu Männern und Frauen beginnen und beenden wie sie möchten, wählen gehen und sich über ihre ungleiche Bezahlung ärgern.
“We start with the knowledge that our fight is not yet over. It’s true that women have come a long way since the 1970s, but for every woman who has reached the “top” (and who still faces discrimination, by the way), there are millions of women struggling to earn a living wage, gain access to basic health care, secure affordable child care and participate in the opportunities that should be available to every person in the U.S” (Ms. Foundation for Women). Es sollte cool sein, FeministIn zu sein. Nicht nur in den USA, sondern überall. Denn es bedeutet, dass man sich das beste für seine Mitmenschen wünscht.
Wenn Feminismus aber alle ansprechen soll, dann funktioniert das vielleicht am Besten, wenn er auch von allen ausgesprochen wird. Das bedeutet nicht, dass der als Favorit gehandelte Kandidat Matt McGorry den Preis mehr verdient hätte, als die weiblichen Mitstreiterinnen. Er ist zum Beispiel eher zufällig mit “Orange Is the New Black” und “How to get away with Murder” für zwei Serien gecastet worden, in denen es vorrangig um starke Frauenfiguren geht. Das macht noch lange keine Glanzleistung aus und wäre denjenigen KandidatInnen, die seit Jahren am eigenen Leib spüren, was weibliche Unterdrückung bedeutet und sich auf hochqualifizierter Ebene dagegen einsetzen, gegenüber ein klein wenig unfair. Eine Botschaft würde trotzdem gesendet werden, sollte er den Preis gewinnen. Und außerdem gibt es sie auch, die männlichen Feministen in dieser Liste, die einen edukativen Einfluss auf ihre Fans haben und mit ihrer Arbeit, ganz ohne erhobenen Zeigefinger, versuchen Feminismus salonfähig zu machen.
Keine(r) aus der Liste der Nominierten hat das das 101 des Feminismus so nonchalant in seine Arbeit verpackt, wie Autor, Produzent und Schauspieler Aziz Anzari. Der US-Amerikaner mit indischen Wurzeln thematisiert in seiner neuen Netflix-Serie Feminismus so beiläufig, dass manch einem Betrachter gar keine Zeit bleiben dürfte, sich dagegen zu sträuben. Er gibt den weiblichen Figuren der Serie den Raum, zu erklären, dass jeder, wirklich jeder Heimweg nachts für sie gefährlich werden könnte. Dass jeder Upload eines Bildes auf Social Media für sie sexuelle Belästigung in Form von anzüglichen Kommentaren bedeuten könnte. Eine Arbeitskollegin von Anzari erklärt in der Show “The other day at CBS this guy told me ‘Smile more, beautiful!’ I’m like ‘Fuck off!’” und Anzari hat die einzig korrekte wie prägnante Antwort parat: “Why should you smile more? Why? ‘Cause women get paid 23 cents less on the dollar than men do? Um, because the government is trying to regulate your body? You smile more? Uh- uh! Him smile less!”
Er liefert nebenbei alltagstaugliche Anleitungen für die Überführung von Menschen, die im öffentlichen Raum sexuelle Grenzen überschreiten und lässt seinen bärtigen Kumpel dem Publikum erklären, worum es ihm geht. “A Feminist is a person that thinks that men and women should be treated equally. I fully support that. So i consider myself a Feminist.” Und warum auch nicht?