(oder: Pucha, wo ist Santiago Maldonado?)
Nach dem Amtsantritt des rechtskonservativen, ultra-neoliberalen Präsidenten Macri, trifft ziviler Protest in Argentinien auf brutale Cops. Der friedliche Kampf indigener Gruppen um ihre Rechte gegen unmenschlich agierende Konzerne wird mit den harschen Methoden skrupelloser Polizeieinheiten beantwortet. Im Dienste des Staates werden Menschen gezielt verletzt und seit Neuestem: verschleppt. Das Vorgehen der Polizei wird von Seiten des Staates legitimiert und weckt Erinnerungen an die Zeit der Gewaltherrschaft der argentinischen Militärdiktatur in den 70er und 80er Jahren. Im Sommer 2018 wird der G20-Gipfel in Buenos Aires stattfinden – schlechte Aussichten also auch für die Möglichkeit eines erfolgreichen, friedlichen Protests.
Die traurige Geschichte staatlicher Gewalt in Argentinien setzt sich fort
Seit einigen Wochen schreiben mir argentinische Freund_innen immer wieder alarmierende Nachrichten über die erschreckende Situation der Mapuche, vom Verschwinden eines jungen Mannes und von brutalen Übergriffen durch die Polizei gegen regierungskritische Leute im Land. Die Geschichte der Gewalt auf argentinischem Boden ist lang und setzt sich bis heute fast nahtlos fort.
Aber, was genau geht da eigentlich ab??
In den Jahren 1878 bis 1885 marodierte der General Argentino Roca (seine Visage ziert noch heute die 100er Banknote des argentinischen Peso – von wegen „Aufarbeitung“…) durch Argentinien und nannte die Aktion ganz blumig „Die Eroberung der Wüste“. Dabei ermordete der spätere Präsident des Landes tausende indigene Bewohner_innen oder vertrieb sie gewaltsam ihres Landes. Die gesamte heute als Patagonien bekannte Region wurde in Folge dessen zum Besitz des damals noch jungen argentinischen Nationalstaates. Dieser verscherbelte das Land dann Stück für Stück an private Interessenten.
Dabei erlangte die englische Unternehmergruppe Tierras del Sud ein ca. 1 Mio Hektar großes Stück Mapuche-Land. 1991 kaufte dann die italienische Multimilionärs-Familie Benetton die Ländereien (Besitzer der gleichnamigen Modemarke). Das Land war und ist aber Lebensgrundlage für viele Menschen und Voraussetzung für den Fortbestand des indigenen Lebens. Die Mapuche forderten das Unternehmen und die argentinische Regierung auf, die ihnen gewaltsam abgerungenen Territorien zurückzugeben. Dabei konnten sie sich eigentlich auf geltendes argentinisches Recht und die Verfassung des Landes berufen. Ohne Erfolg.
Zum Verschwinden von Santiago Maldonado
Die indigenen Gruppen der Mapuche und Tehuelche, welche über Generationen die Rückgabe ihrer Ländereien gefordert hatten, begannen dann das von der Firma Benetton als Weideflächen eingezäunte Gebiet zu besetzen. Anstatt auf die Forderungen der Mapuche einzugehen und sich der eigenen Gesetzeslage anzunehmen, kriminaliserte die Regierung die Besetzungen. Die Mapuche werden als gefährliche Terrorist_innen hingestellt und mit unverhältnismäßig brutalem Einschreiten durch die Polizei unterdrückt. Viele Menschen schlossen sich seither ihren Protesten, Besetzungen, Straßensperren und friedlichen Demonstrationen an. So auch der nun verschwundene Santiago Maldonado, welcher in der Mapuchegemeinde Chushamen in der argentinischen Provinz Chubut lebte, um die Besetzung der Benetton-Ländereien zu unterstützen.
Am 1. August 2017 kam es dort zu einer Zwangsräumung. Nach Augenzeugenberichten stürmte die Polizei mit Schusswaffen das Lager der Besetzer_innen und brannte ihre Zelte nieder, bevor sie Santiago Maldonado verprügelten, ihn in ein Polizeiauto zerrten und davon fuhren. Seither ist der 28-jährige wie „vom Erdboden verschluckt“. Dabei ist klar wer oder was in diesem Fall der Erdboden ist.
Undeniable Cruelties…
Seit diesem Tag, vor über einem Monat, gab es nun also lautstarke Proteste von tausenden Menschen auf den Straßen Argentininens und auch im Internet, die der argentinischen Regierung bis heute eine Frage stellen: „Donde esta Santiago Maldonado?/Wo ist Santiago Maldonado?“ Sie fordern die lebendige Auslieferung des Aktivisten.
Präsident Macri, Sicherheitsministerin Bullrich und Vertreter_innen der Polizei wollen aber immer noch von Nichts eine Ahnung haben. Sie lassen die Demonstrationen ins Leere laufen und initiieren gewaltsame Auseinandersetzungen, um nicht über Inhalte reden zu müssen. Benetton betreibt weiterhin seine Schönwetter-Kampagnen und gibt sich ein nachhaltiges und soziales Image. Die beängstigenden Nachrichten von meinen Freund_innen aus Argentinien hören aber nicht auf!
Ihr wollt was unternehmen? Erzählt vielen Leuten, die ihr kennt, von der Situation in Argentinien! Interessiert euch, bleibt dran.. Fragt bei FICKO wegen Stickern an und lasst hier und da einen kleben! Damit die Gewalt an den Mapuche und ihren Unterstützer_innen aufhört.
TazArtikel – Von Santiago Maldonado keine Spur
Neues Deutschland – Ministerin und Polizei sind verantwortlich
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1062636.ministerin-und-polizei-sind-verantwortlich.html
Jungewelt – Spurlos „Verschwunden“
https://www.jungewelt.de/artikel/317464.spurlos-verschwunden.html
Tobias Mönch macht Wandgestaltung, Illustrationen, irgendwas mit Grafik. Er lebte eine Weile im Norden Argentiniens. Danach studierte er in Göttingen Ethnologie und Spanisch mit einem Schwerpunkt auf Kolonialgeschichte. Heute lebt er in Berlin und studiert Historische Urbanisitk an der Technischen Universität. Eine Auswahl der Dinge, die er so tut, finden sich hier: www.tobias-moench.de