Ab wann ist Faschismus? – Um etwas zu tun, müssen wir ihn sehen

Lesedauer: Vier Stunden

Am Wochenende sind in München CSU-Plakate aufgetaucht. Unter dem Slogan „Mehr Faschismus wagen“ blicken die Gesichter des deutschen Bundesinnenministers Horst Seehofer, des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz und des italienischen Innenministers Matteo Salvini fröhlich in die Welt. Es gibt auch noch eine Variante mit Markus Söder, dem aktuellen Spitzenkandidat der CSU, der auf dem Plakat ebenfalls mehr Faschismus wagen möchte. Wer es nicht weiß, das spielt auf den ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt an, der 1969 in seiner Regierungserklärung davon sprach „mehr Demokratie wagen“ zu wollen, nachdem die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik noch stark unter dem Einfluss nationalsozialistischer Folgen – Personal, Ideen, Strukturen -, autoritärer Gesellschaftvorstellungen und Verdrängung der Shoah gestanden waren.

Laut Polizei sind die Plakate eine Fotomontage, vielleicht klärt sich da demnächst noch mehr. Es gibt jedoch bisher keine Erklärung der CSU, die sich von den Plakaten distanzieren würde; bei Twitter und facebook fragten sich manche, ob das wirklich CSU-Slogans seien. Auch wenn das schon sehr viel darüber sagt, was dieser Partei zugetraut wird, ist es wahrscheinlich nicht der Fall. Weil das Plakat aber dennoch einen Punkt aktueller Politik trifft, soll dieser Text einen Einstieg in die (post-)faschistische Theorie ermöglichen und diese mit realen Entwicklungen vergleichen. Dafür wird im ersten Teil angerissen, was Faschismus ist, wo er herkommt und was ihn auszeichnet um dann darauf zu schauen, ob sich davon etwas in der bayerischen Politik der letzten Jahrzehnte findet. Der Große Vorsitzende Franz Josef Strauß ist daher besonders wichtig, denn ohne sein Erbe sind aktuelle Entwicklungen nicht zu verstehen. Auf den Plakaten steht nun nicht, dass die CSU der personifizierte Faschismus sei, sondern ihr wird unterstellt, den Anteil von Faschismus in der jetzigen Politik dauerhaft zu erhöhen. D.h. also, faschistische Elemente zu stärken, zu ihrem Anwachsen beizutragen, die Entfesselung der entsprechenden Kräfte zu fördern. Gerade auch mit Hinblick auf Salvini und Kurz sei darauf hingewiesen, dass Letzterer kürzlich von der „Achse Berlin-Wien-Rom“ sprach, was vielleicht gar nicht zufällig an 1936 erinnert, als Italien mit Deutschland, Mussolini mit Hitler exakt solch eine Achse begründete.

Faschismus – Was ist das?

Der Begriff des Faschismus geht auf den gerade erwähnten Benito Mussolini zurück, der ihn im Italien der 1920er prägte und zur Form seiner Herrschaft erklärte. Das Wort stammt vom lateinischen „fasces“ ab, was Bündel bedeutet und im antiken Rom schon ein Herrschaftssymbol war (mehr zur Symbolik wird ausführlich hier erklärt).
Mussolini marschierte 1922 mit tausenden seiner größtenteils aus ehemaligen Frontsoldaten bestehenden Anhänger auf Rom bzw. ließ es so aussehen und verschaffte sich dank der schwachen Gegenwehr der Demokrat_innen einen Platz in der Regierung. 1925 konnte er den Rest der parlamentarischen Gegenwehr beseitigen und wurde Diktator. Er zerschlug die Gewerkschaften und verbot alle anderen Parteien, überzog das Land mit einer Welle von Terror, Folter, politischen Morden, Gleichschaltung der Presse und ähnlicher Kontrollpolitik. Hitlers Putschversuch 1923 war explizit von Mussolini inspiriert. Und auch heutige Faschist_innen berufen sich darauf und finden es insgesamt prima:

Faschismus wird in aller Regel nicht als Theorie aufgefasst, stattdessen als eine Art des Handelns, eine

„Form des politischen Verhaltens“, das durch eine „obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft und durch kompensatorische Kulte der Einheit, Stärke und Reinheit“ bestimmt sei. Dabei gebe eine „massenbasierte Partei von entschlossenen nationalistischen Aktivisten in unbequemer aber effektiver Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten demokratische Freiheiten auf“ und verfolge „mittels einer als erlösend verklärten Gewalt und ohne ethische oder gesetzliche Beschränkungen Ziele der inneren Säuberung und äußeren Expansion“. (Quelle)

Das Zitat ist aus Volker Weiß´ Text im Dossier „(Anti-)Faschismus“ in der APUZ, welches einen sehr guten Überblick über das Phänomen und auch auf die Antwort in Form der antifaschistischen Gegenwehr bietet. Weil der Faschismus immer auch Bewegung war und sein muss, hat er sich Festlegungen und Definitionen entzogen und kein breites philosophisches Fundament errichtet und niedergeschrieben. Faschismus will „endlich etwas tun!!!”, der „Triumph der Tat” und absolute Gewaltbereitschaft bei gleichzeitiger Selbstwahrnehmung als Opfer stehen im Zentrum des Phänomens. Wichtig ist eine starke Abgrenzung von „Wir” und „Die”, wobei die eigene Gruppe bis zur Unterwerfung jeglicher Individualität geschlossen bleibt und keine Widerrede duldet sowie insgesamt überhöht wird, während „die anderen” als Feinde gelten, die letzten Endes vernichtet werden müssen, um wieder in die imaginierte glorreiche Zeit von damals zurückzukehren, als die Welt „noch in Ordnung” war. Faschismus ist eine Antwort auf die Moderne, antisemitisch, sexistisch und in aller Regel auch rassistisch. Die Freiheit des Individuums von den Zumutungen durch Gruppe, Familie, Tradition, Religion etc. ist historisch und momentan nicht von allen als gute Idee bejubelt worden. Menschenrechte, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit etc. sind mehr oder weniger liberale – im Wortsinn, nicht wie bei der FDP – Voraussetzungen von politischen Systemen mit Freiheitshintergrund, die auf genau diese Freiheit des Individuums gründen. Im Faschismus gibt es keine Freiheit des Individuums, nur Unterwerfung unter die Gruppe und/oder den männlichen Chef (Il Duce, der Führer, „Reis” auf Türkisch). Unterwerfung und strenge Hierarchien sind sowieso ein Kernelement des zwischenmenschlichen Umgangs in der Welt des Faschismus. Das Individuum zu mögen, heißt übrigens nicht, jegliches Wir abzulehnen. Nicht jedes Kollektiv ist schon protofaschistisch. Aber ein Wir muss, um nicht gefährlich zu werden, immer auch ein Ich und ein Du erlauben, das Individuum darf sich nicht in der Gruppe auflösen müssen. Sonst wird die Gruppenkonstruktion eben doch anfällig für Faschismus.

Historians have been trying to define fascism since the end of the second world war — without much success. It does not help that ideologically it was a composite of left and right, nor that it valued action over words, never pinning itself to a given text or doctrine. And there are almost too many fascists: between the first and second world wars, the right swept the board across much of Europe and South America, and the resulting panoply of examples make generalisation hard. To be a fascist meant wearing a brown shirt in Germany, a black one in Italy, green in Romania, blue in Spain, grey in South Africa and gold in Mexico. (It is hard to resist mention of the immortal Roderick Spode in PG Wodehouse’s 1938 The Code of the Woosters who features as leader of the much-feared Black Shorts.) Of course, the differences ran deeper than fashion — attitudes to capitalism, and to religion, could diverge sharply. Yet there were also common denominators: a mass party, a love of violence and uniforms and contempt for parliamentary institutions, and a movement led invariably by a strong man claiming to speak in the voice of a unified nation in the war against its enemies. Fascism was always xenophobic, and generally racist and anti-Semitic. (Quelle)

Dazu muss dringend gesagt werden, dass der Faschismus immer nur versucht, links zu wirken, wenn man dieser links-rechts-Einteilung als Prinzip überhaupt folgen will. Es wird jedoch von alt-right-Vertretern seit Langem versucht, Faschismus als eigentlich links zu framen. Was absurd ist. Alle irgendwie Linken, die Sozialismus, Anarchismus, Sozialdemokratie, Feminismus, eine gerechte Welt etc. unterstützten, wurden von den Faschisten gejagt und getötet. Faschisten arbeiten mit der Mafia zusammen oder spielen ihm in die Hände.

Der Faschismus hat seine Gewalt immer als Gegengewalt verstanden, als Antwort auf die ‚rote Barbarei‘, als legitime Reaktion auf die drohende bolschewistische Umwälzung, als Erwiderung auf die ‚verneinende Gewalt der triumphierenden Bestialität‘. Der Begriff der ‚Strafexpedition‘ entstammt diesem Selbstverständnis. Viele Selbstzeugnisse aus dem frühen futuristischen und faschistischen Lager zeigen jedoch, wie zweckgebunden das Argument der Gegengewalt war. Der Wille zur Aktion und die Bereitschaft zur Gewalt sind die herausragenden Kennzeichen schon in dieser frühen Phase. Eine Durchsicht des faschistischen Liedgutes, in dem Knüppel, Dolche, Revolver und Handgranate als pseudoreligiöse Kultgegenstände mythisiert werden, in dem die Misshandlung und der Mord an dem zum Kriminellen gestempelten Feind verherrlicht werden, zeigt das aufs deutlichste. Die Kehrreime dieser Lieder lauten etwa: „Den Dolch zwischen den Zähnen, die Bombe in der Hand“ oder „Prügel, Prügel, Prügel in jeder Men-ge“. Hermann Heller hat in der richtungslosen Gewaltethik, der von Nietzsche und Sorel beeinflussten Apotheose der Gewalt die wichtigste Charakteristik des Faschismus überhaupt gesehen. Sein Kennzeichen sei die„grundsätzliche Ideenverachtung und Gewaltreligion“„Außer der formalen Gewaltideologie (gibt) es keinen einzigen Gedanken, der den Faschismus von 1920 oder gar von 1915 mit dem von 1922 oder 1929“ verbindet. Ähnlich urteilen italienische Zeithistoriker. (Quelle)

Es gibt noch viele weitere Auseinandersetzungen und Perspektiven darauf, manche betonen die zentrale Rolle von rigiden Männlichkeitsvorstellungen, manche die Zusammenarbeit von Faschismus und Kapitalismus, die psychologischen Grundlagen und anderes. So ganz tief kann hier gar nicht gegraben werden, wichtig wäre jedoch, dass sich das alles nicht ausschließt. Ja, autoritäre Vorstellungen von „wehrhaften” Männern und überhaupt verunsicherte Männlichkeit und daraus resultierende Gewalt kann genutzt werden, um eine Bewegung zu schaffen, die dann mit noch mehr Gewalt jede offene Bemühung um eine gerechte Welt für alle ausmerzt. Das ist alles schon oft genug passiert.

Strenge marxistische Gelehrte wie Fabian Lehr schreiben, dass ein Reden davon, dass der Faschismus bevorstehe, völlig übertrieben sei, weil niemand (in Europa) erwarten müsste, demnächst in Folterkellern des Staates zu verschwinden, auch Gewerkschafter_innen würden noch nicht mit dem Tod bedroht. Das stimmt insofern, als es immer noch auch ein Merkmal des Faschismusbegriffs ist, dass er mitunter sehr leichtfertig benutzt und somit inhaltlich komplett entleert wurde. Vielleicht braucht es aber eben nicht mehr diese Form des Faschismus, der Kapitalismus ist auch nicht mehr derselbe wie vor 100 Jahren. Nicht ohne Grund wird von Postfaschismus gesprochen. Vielleicht reicht es ja, Jüdinnen und Juden zu registrieren, Roma zu zählen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen und Nazianschläge ohne größeres Aufsehen hinzunehmen, um den schon aufgeheizten Ultranationalisten zu signalisieren, dass sie noch mehr tun müssen, bis eines Tages nicht nur der Verfassungsschutz auf ihrer Seite ist. Und ja, nicht alle im vorigen Satz erwähnten Beispiele wurden schon erfolgreich durchgeführt. Aber es wäre an der Zeit, dass mehr Leute bemerken, dass wir gerade mitten drin sind und nicht warten müssen, bis noch mehr passiert. Darum folgt nun eine Suche nach Elementen des Faschismus in heutiger bayerischer Politik. Sie mögen Postfaschismus genannt werden, um das abzugrenzen. Aber um den Begriff kommen wir nicht herum.

Franz Josef Strauß und seine faschistischen Freunde

Auch bei der Untersuchung der Verhältnisse im Freistaat lohnt sich ein Blick in die Geschichte. Aus Platzgründen leider nicht unbedingt bis zurück zur Niederschlagung der Räterepublik 1919, die München zur späteren Hauptstadt der Bewegung machte, aber wenigstens zu Franz Josef Strauß. Der gilt in der CSU immer noch als der Übervater, Vorbild, Namensgeber vom Flughafen in München uvm. Dass es die CSU jahrzehntelang geschafft hat, all seine Machenschaften entweder zu vertuschen oder als inhärent bayerisch zu framen, ist ein Erfolg, zu dem man ihr aus propagandistischer Sicht aufrichtig gratulieren kann. Mehr aber auch nicht. Strauß hatte seine Partei und damit auch Bayern jahrzehntelang im Griff. Von der Spiegel-Affäre 1962 über etliche Skandale bis zur Kanzlerkandidatur: Er stand für eindeutig zweifelhaftes Gedankengut. In den 60er Jahren schrieb der Begründer der „Neuen” Rechten (da ist nichts neu), Wortschöpfer der „Konservativen Revolution” und ehemalige SS-Freiwillige, Armin Mohler, Reden für ihn. Volker Weiß in seinem lesenswerten Essay über den jahrzehntelang vorbereiteten Aufstieg dieser vermeintlich neuen Rechten:

1961 wechselt Mohler nach München zur neu gegründeten Carl Friedrich von Siemens Stiftung, die sich der Wissenschaftsförderung verschrieben hat. Bald zum Geschäftsführer aufgestiegen, versteht er es, die Ressourcen der Stiftung für sein politisches Netzwerk zu nutzen. Empfohlen hat ihn Franz Riedweg, ein in Deutschland lebender Schweizer, der während des Krieges im Range eines SS-Obersturmbannführers europäische Freiwillige für den Kriegseinsatz rekrutiert hatte. Bei dieser Arbeit war ihm Mohler begegnet.

Mohler ist klug genug, zwischen seiner Leidenschaft für den Faschismus und der realen Politik unter bundesdeutschen Bedingungen zu unterscheiden. Er verfügt über ausgezeichnete Pressekontakte, arbeitet für den Axel-Springer-Verlag und die damals wichtige Wochenzeitung der evangelischen Kirche Christ und Welt, die von dem NS-Schriftsteller Giselher Wirsing geleitet wird. Vor allem aber steht ihm der Bayernkurier als publizistische Plattform zur Verfügung. Für dessen Herausgeber Franz Josef Strauß schreibt er Reden. 1965 vermittelt er Strauß seinen Zögling Marcel Hepp als persönlichen Referenten. Wie im Lehrbuch festigt er damit seinen Zugang zur Macht.

Offenbar hat es dem ehemaligen Oberstleutnant der Wehrmacht Strauß nicht geschadet, mit solchen Leuten zu arbeiten. Es spricht ziemlich wenig dagegen, dass er sich zu großen Stücken selbst als einer dieser Leute begriff, wenn er auch opportunistischer war. Sonst hätte er wohl kaum Urlaub mit dem Gründer der Colonia Dignidad in Chile gemacht. Diese „Kolonie Würde” war vom deutschen Wehrmachtsunteroffizier Paul Schäfer Schneider 1962 gegründet worden. In das stark vom Nationalsozialismus inspirierte Lager seiner Sekte mit Führerkult, brutalen Erziehungsmethoden von Folter bis hin zur regelmäßigen Vergewaltigung von Kindern wurden hunderte deutsche Kinder entführt. In den Kellern wurden zudem chilenische Oppositionelle während der Diktatur Pinochets gefoltert, zu dem Strauß auch eine gute Freundschaft pflegte, wie man heute noch viel besser weiß.

Eine wichtige Basis für den Erfolg der Colonia Dignidad waren die intensiven Kontakte nach Deutschland und zur internationalen Nazi-Szene. Zu den guten Freunden, Geschäftspartnern, Unterstützern und häufigen Besuchern der Colonia zählten unter anderem die nach Chile exilierten Nazis Hugo Roggendorf (SS-Veteran), Walter Rauff (der Erfinder der Tötungswagen) und Hans Albert Loeper, eine der wichtigsten Figuren des lateinamerikanischen Nazi-Netzwerks. Auch in Deutschland lebende Nazis waren gern gesehene Gäste in Chile: Gerhard Mertins, Waffenhändler und Vorsitzender des »Freundeskreises Colonia Dignidad«, nach 1945 aktiv in der Sozialistischen Reichspartei und der west-deutschen Nazi-Szene, weilte noch 1989 auf einem Arbeitsbesuch in der Colonia; der Rechtsanwalt Manfred Roeder, der das Vorwort zum Buch »Die Auschwitzlüge« schrieb, war mit Schäfer befreundet und besuchte ihn mehrfach. Gute Verbindungen bestanden auch nach Bayern, insbesondere zu CSU-Politikern, die intensive Lobby-Arbeit leisteten, um das schlechte Image der Colonia in der BRD aufzupolieren. Nach dem Tod von Franz Josef Strauß wurde bekannt, dass er mehrere Male mit seinen Söhnen zum Urlaub bei Schäfer war. Die Sympathie des CSU-Patriarchen zum faschistoiden Landgut beruhte auf Gegenseitigkeit. »Strauß ist ein Mann der Wahrheit und der Tapferkeit. Er ist wie Pinochet.«, sagte Hartmut Wilhelm Hopp, Arzt der Kolonie, im Interview mit der Zeitung Mercurio 1987. (Quelle)

Momentan machen dank der Unterstützung durch Erdoğan und die Entwicklung der Türkei zu einer (faschistischen) Diktatur auch in Deutschland wieder die Grauen Wölfe stärker von sich reden, die völlig zurecht rein zahlenmäßig „die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland” genannt werden muss. Und es war Franz Josef Strauß, der maßgeblich dazu beitrug, dass sie sich erst in Bayern, dann in ganz Deutschland ausbreiten konnten:

Strauß sagte dem Vernehmen nach den MHP-Politikern zu, dass in Zukunft für die MHP und die ‘Grauen Wölfe’ ein günstiges psychologisches Klima in der Bundesrepublik geschaffen werden müsse, damit die MHP hier in einem besseren Licht erscheine. Bayern soll der Anfang sein“, berichtete die Gewerkschaftszeitung „metall“ später. (Quelle)

Seit sie in der BRD aktiv wurden, überzogen sie linke deutsch-türkische Gewerkschafter_innen, Kurd_innen, Alevit_innen und alle, die sich nicht fügten, mit Terror. Der stellvertretende Vorsitzende des faschistoiden Zentralrats der Muslime, der auch Grauer Wolf ist, war bei uns auch schon einmal Thema. Sehr zu empfehlen ist diese ausführlich recherchierte Webstory des ZDF. Ohne Strauß´ tatkräftige Unterstützung wäre es vielleicht nie soweit gekommen, dass nun z.B. der kurdische Exilpolitiker Yüksel Koc in Bremen auf der Todesliste des türkischen Geheimdienstes stehen kann. Hier ein Bericht des BR zu den Grauen Wölfen in Bayern. Was Faschismus in der Realität auf der Straße bedeuten kann, war kürzlich in Köln zu beobachten. Weil in Deutschland sehr oft besonders schräge Vorstellungen davon herrschen, was z.B. Faschismus ist, muss vielleicht dazu gesagt werden: Auch Menschen mit türkischer Familiengeschichte sind wie alle anderen Menschen auf der Welt. Wer was anderes denkt oder behauptet, sollte mal seinen Rassismusradar entstauben. Sie können denselben Mechanismen und z.B. einem faschistischem Führerkult erliegen und alle bedrohen, die sich dem nicht unterwerfen. Aber seht selbst:

Das kommt dabei heraus, wenn man faschistische Organisationen unterstützt. Mittlerweile sind die Grauen Wölfe so gut aufgestellt, dass auch Merkel ihrem Chef die Hand schüttelt:

Selbst der Verfassungsschutz, der bekanntermaßen lieber Jagd auf Linke als auf Faschisten macht (Stichwort NSU), stuft diese Organisation als extremistisch ein. Nicht zu Unrecht. Die türkischen Faschisten verfügen in Deutschland über ein engmaschiges Netzwerk nationalistischer Organisationen, vom Boxclub über die mafiöse Rockergruppe Osmanen Germania, über sogenannte Jugend- und Kulturvereine bis hin zu Moscheen.

Rund 170 Vereine besitzt allein die Türk Föderation. Mit mehr als 18.000 Mitgliedern sind die Grauen Wölfe die größte faschistische ausländische Organisation in Deutschland – drei Mal mehr, als die NPD Mitglieder hat.

In Deutschland gibt es auch viele Verbindungen zwischen den Grauen Wölfen und der AKP Erdogans. Erst kürzlich wurde die Rockergruppe Osmanen Germania in Deutschland verboten, deren Chef hatte beste Kontakte zum Erdogan-Clan. All dies ist aktenkundig, Merkel kann sich also kaum mit „Das war mir nicht bekannt“ herausreden. (Quelle)

Es gibt zu Strauß noch viel mehr, das kann hier nur angerissen werden. Sehr oft wird das ein bisschen schmunzelnd und lächelnd abgetan, weil der Mann ja auch lustig und selbstironisch gewesen sein soll. Aber seine Taten, seine konkrete Politik war bei allem Opportunismus (Apartheid war natürlich auch sein Ding, Mao Tse-Tung wurde ebenfalls besucht) waren nun einmal sehr oft nicht irgendwelchen demokratischen Werten verpflichtet. Sondern neben vielen weiteren Tätigkeiten der internationalen Vernetzung und Unterstützung von waschechten Nationalsozialisten, folternden Diktatoren, Faschisten und Mördern. Die er auch nach Deutschland holte, um sie dort gegen den Kommunismus in Stellung zu bringen. Ein Text im Spiegel von 1971:

Die Trennwände zum Nazismus, die Strauß selbst theoretisch errichtet hat, erweisen sich bei näherem Zusehen als porös und brüchig. Im Folgenden gilt es aber nachzuweisen, daß nicht nur theoretisch, sondern auch aufgrund der bisherigen Praxis von Strauß eine so weitgehende Affinität zu faschistischen oder zumindest deutschnationalen Denk- und Handlungsmustern zu konstatieren ist, daß ihre komprimierte Darstellung in einem Hakenkreuz berechtigt erscheint. Strauß selber verkündete im CSU-Hauptquartier vor CSU-Getreuen: „Ich bin ein Deutschnationaler und fordere bedingungslosen Gehorsam.“ Dazu paßt das diskrete Spielen mit dem „starken Mann“.
Strauß hat in der Vergangenheit wie in der jüngsten Gegenwart eine Reihe von Argumenten benutzt, wie sie ähnlich auch die extreme Rechte der Weimarer Republik, also NSDAP und Deutschnationale Volkspartei (DNVP), zum Kampf gegen Republik, Demokratie und Politik des Ausgleichs angewandt hatten. Es seien hier nur einige besonders markante Komplexe herausgegriffen: Antikommunismus und Anti-Marxismus, Anti-Intellektualismus, die fixe Idee von der ausländischen Verschwörung gegen Deutschland mit ihren Handlangern im Inland, die Kriegsschuldfrage 1914, abgewandelt dazu die von 1939, Versailles als diffamierendes Argument …

Der Gründervater des heutigen Bayern war also schon mal kein richtiger Demokrat und hat Zeit seines Lebens faschistische Bewegungen unterstützt. Da ist Faschismus schon einmal enthalten. Das wäre in diesem Ausmaß heutzutage nicht mehr so einfach denkbar, aber die Strauß-Begeisterung der CSU scheint es nicht zu stören. Vielleicht ja genau, weil eben der Führerkult doch stark genug ist. Wir erinnern uns: Ein Element des Faschismus.

Faschistische Freunde im 21. Jahrhundert

Springen wir einmal ins Ungarn des Jahres 2000. Damals war Viktor Orbán zum ersten Mal an der Macht, 2002 wurde er vorerst abgewählt. Mit der österreichischen Regierung unter u.a. Jörg Haider, dem FPÖ-Faschisten, war sie 2000 natürlich bestens verbündet. Ihr wisst noch, damals, als eine Beteiligung der österreichischen Nachfolgepartei des Nationalsozialismus an einer Regierung weltweit Entsetzen und die politische Isolation Österreichs hervorrief. Und wer war neben dieser ungarischen Regierung der beste Freund des armen isolierten Österreich? Bayern. Der Budapester Philosoph G. M. Tamás schreibt darüber in seinem Essay „Über Postfaschismus”:

Die Regierung meines Landes, Ungarns,  ist – zusammen mit der Bayrischen Landesregierung (ländlich in mehr als einem Sinne) – die stärkste ausländische Unterstützerin von Jörg Haiders Österreich. Das rechtsgerichtete Kabinett in Budapest versucht gerade, neben anderen Missetaten, die parlamentarische Herrschaft zu unterdrücken, indem sie lokale Behörden mit einer anderen politischen Ausrichtung als der eigenen unter Strafandrohung stellt und eifrig eine neue Staatsideologie schafft und durchsetzt, und zwar mit der Hilfe einer Anzahl von Lumpenintellektuellen[2], einige deklarierte Neonazis eingeschlossen. Sie steht in geheimer Verbindung mit einer offen und bösartig antisemitischen, faschistischen Partei, die leider auch im Parlament vertreten ist. Leute, die für das Büro des Premierministers arbeiten, betreiben mehr oder weniger vorsichtig Geschichtsleugnung im Hinblick auf den Holocaust. Das von der Regierung kontrollierte Staatsfernsehen tobt sich mit Krudem gegen Zigeuner gerichtetem Rassismus aus. Die Fans des im Land populärsten Fußballklubs, dessen Präsident ein Minister und Parteiführer ist, singen im Chor über den Zug, der bald nach Auschwitz fährt.

Schöne Komplizen hat man sich da geholt. Auch in Bezug auf Ungarn ist das Erbe von Strauß höchst lebendig. Der hatte damals die Kontakte aufgenommen und jetzt hält man den Bund. 2010 wurde Orbán wieder Ministerpräsident. Er hat in Ungarn mittlerweile die Demokratie abgeschafft, wie z.B. der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn treffend festgestellt hat. In Ungarn gewinnen faschistische Bewegungen an Fahrt, Orbán fährt antisemitische Kampagnen, Universitäten sollen geschlossen werden, die Pressefreiheit faktisch abgeschafft und vieles mehr. Dass das niemanden so sehr zu interessieren scheint, ist auch ein Merkmal für die Dramatik der Situation. Egal, was in der EU für Kritik an Ungarn laut wurde, die CDU/CSU sorgte dafür, dass es keine ernsthaften Probleme gab. Mittlerweile übernimmt der orbánsche Geist zunehmend die Zügel auf europäischer Ebene. Horst Seehofer und andere Politiker_innen der CSU warben die letzten Jahre regelmäßig mit und für Orbán und lobte ihn als beispielhaften Politiker. Und um noch einmal die Verbindungen von Kapitalismus und Faschismus zu betonen, sei auch auf diesen Artikel in der ZEIT über die blendende Zusammenarbeit der deutschen Industrie mit dem ungarischen Regime hingewiesen:

Doch ausgerechnet die europäische Industrie, allen voran bekannte deutsche Adressen, konterkarieren mit ihren Investitionen in Ungarn die politischen Warnungen. Die Ankündigung von BMW ist nur das jüngste Beispiel, auch Daimler, Continental, Bosch, Thyssenkrupp, Schäffler und Siemens haben bis zuletzt kräftig in Ungarn investiert. Zwar sorgen sich einige der Chefs mittlerweile öffentlich um die Demokratie, nicht aber, wenn es ums Geschäft geht. Dann gelten offenbar nur betriebswirtschaftliche Kriterien. Die ungarische Regierung wertet diese deutschen Milliarden und die neuen ungarischen Jobs, wie könnte es anders sein, als Bestätigung für ihren autokratischen Kurs.

Und das ist nur der bayerische Umgang mit Ungarn. Die Hofierung der rechtsnational-faschistoiden österreichischen Regierung von ÖVP und FPÖ durch Horst Seehofer ist dann auch folgerichtig. Viele unpolitischen Menschen zucken zusammen, wenn man eine Regierung faschistoid nennt, die nicht tausende Kilometer weit weg ist, sondern von den eigenen Politiker_innen herzlich begrüßt wird. Sie sind gewohnt, alles gemäßigt zu sehen und „alle Extreme” abzulehnen, ohne dann letzten Endes irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Die Abwehr ist stark. Aber wie soll man eine Regierung nennen, die – Kapitalismus und Faschismus schon wieder – die 60-Stunden-Woche einführt, Steuersenkungen für Großkonzerne und Streichungen bei den Sozialsystemen beschließt, ständig mit Nazis kooperiert, sie duldet und gar fördert, wo die antisemitische, sexistische, rassistische Nazi-Partei FPÖ die Polizei und Geheimdienste in ihrer Hand hat?

Die FPÖ hat nun die Kontrolle über den gesamten Repressionsapparat des Staates – mit anderen Worten, über die Polizei, den Geheimdienst und das Militär. Dass das Innenministerium schon vor Regierungsbildung in den Gesprächen mit der ÖVP zur Koalitionsbedingung erhoben wurde, zeigt die strategische Wichtigkeit des Repressionsapparats für die FPÖ. Sie versucht, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und den repressiven Kern des Staates neu aufzustellen. Das führte bereits zu einem ungeheuren Geheimdienstskandal. Im Februar führte eine Polizeisondereinheit unter Leitung eines FPÖ-Politikers eine Razzia im österreichischen Geheimdienst, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), durch und beschlagnahmte Daten, die über Naziorganisationen gesammelt wurden (unter anderem über den Neonazi-Kongress „Verteidiger Europas“, auf dem Innenminister Kickl, damals noch als FPÖ-Generalsekretär, referierte). Das offensichtliche Ziel war es, unerwünschte Mitarbeiter, welche die rechtsextreme Szene überwachen, einzuschüchtern und den BVT-Chef, der eine nahe Beziehung zur ÖVP hat, zu diskreditieren. Vor der Razzia drängte das Innenministerium mutmaßliche Zeugen zu Aussagen vor der Staatsanwaltschaft gegen den Leiter des Verfassungsschutzes. Minister Kickl selbst traf sich vor dem Überfall mit dem Kommandanten der Sondereinheit. (Quelle)

Dass die CSU mit solchen Leuten befreundet sein will, kann nur überraschen, wer von der historischen Nähe der CSU zu antidemokratischen bis faschistischen Akteur_innen noch nie gelesen hat. Was das wahrscheinlich nicht von der CSU selbst erstellte Wahlplakat, das am Sonntag in München auftauchte, sehr lakonisch zusammenfasst, steht in ausführlicher Form in der FAZ als Kommentar über den Besuch des österreichischen Kanzlers Kurz bei Seehofer:

Was Seehofer und Kurz zu sagen haben, ist denn auch nicht weniger als eine offene Kampfansage an Angela Merkel: Er habe den Wunsch des italienischen Innenministers Matteo Salvini von der rechtsnationalen Lega angenommen, dass Rom, Wien und Berlin auf der Ebene der Innenminister bei den Fragen Sicherheit, Terrorismus und Zuwanderung zusammenarbeiten sollten, wiederholt Seehofer. „Wir werden das gemeinsam vorantreiben.“ Seehofer überlässt es aber wohlweislich dem Gast aus Österreich, jenen Slogan zu verkünden, den fortan nicht nur die Anti-Merkel-Koalition in der Union, sondern auch die Verfechter einer restriktiven Flüchtlingspolitik in Europa für sich beanspruchen dürften: Er hoffe in der Frage des europäischen Grenzschutzes auf eine „Achse der Willigen“, bei der Österreich mit Seehofer „einen starken Partner“ habe, sagt Kurz. „Achse der Willigen“, damit wird Angela Merkel, die Flüchtlinge an der deutschen Grenze im Gegensatz zu Seehofer nicht zurückweisen will, zu einer „Unwilligen“, zu einer Bremserin. Und Seehofer dürfte hoffen, sollte die Kanzlerin hart bleiben, für den bayerischen Landtagswahlkampf wertvolles Futter gewonnen zu haben.

Man erinnere auch daran, dass Edmund Stoiber (CSU) 1999 die Idee einer doppelten Staatsbürgerschaft wörtlich für „gefährlicher als die RAF” gehalten hat. Nationalistische Hetzkampagnen hat nicht die AfD erfunden.

Ganz aktuell könnte man z.B. das neue Polizei-Aufgaben-Gesetz in Bayern auch als großen Pfeiler einer Faschisierung werten. Die Polizei darf nun unter anderem ohne jeglichen richterlichen Vorbehalt Menschen monatelang inhaftieren, wenn sie der Meinung ist, dass sie gefährlich seien. Sie darf Handgranaten einsetzen. Sie darf abgehörte Daten verändern und wieder einschleusen. Wie das dann in Anwendung aussieht, hat sie kürzlich in Freilassing gezeigt. Dort hat die Polizei einen ganzen Zug nach Salzburg anderthalb Stunden angehalten und 17 Leuten vor einer Demo die Ausreise verboten. Ausreiseverbote, ja. Alle Festgehaltenen wurden komplett durchsucht, es wurden DNA-Proben entnommen (!?!) und das alles auf Verdachtsbasis, weil die Polizei ohne Beweise der Meinung war, dass, wer gegen den EU-Gipfel demonstriert, gefährlich sein müsse.

Man muss sich das einmal vorstellen: Hier werden Menschen aufgrund ihrer politischen Einstellung festgenommen, ohne dass ihnen das Begehen oder die Planung einer Straftat nachgewiesen werden kann oder muss. Was wir in Bayern erleben, sind Methoden, wie wir sie sonst nur von autoritären Regimen wie Erdogans Türkei kennen. Ich fordere die bayerischen Behörden auf, die Festgenommenen sofort freizulassen und sicherzustellen, dass diese ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit uneingeschränkt wahrnehmen können. Angesichts der geplanten Verschärfungen der Polizeiaufgabengesetze in anderen Bundesländern sollte die bayerische Erfahrung eine Warnung sein. Noch ist es nicht zu spät, solche drastischen Einschränkungen der Grundrechte zu verhindern. (Quelle)

Und dann ist da noch der versuchte Putsch von Seehofer und Söder gegen Merkel im Juni 2018. Er ist dann doch nicht geglückt, aber für ein paar Tage sah es so aus, als würden nun endlich die Kampfverbände von Patriarchat und Fratriarchat gemeinsam offen losziehen, nachdem seit 2015 jahrelang alles vorbereitet wurde. Stattdessen rumort es einfach ständig weiter. Einer nach dem anderen Kolumnisten driftet ab oder endet gleich ganz im Wahn. Der Chef des Verfassungsschutzes verbreitet öffentlich Lügen, interveniert politisch und zack haben wir einen politischen Geheimdienst (auch das fällt nicht vom Himmel). Wer deckt ihn, befördert ihn gar noch? Seehofer, der Bundesinnenminister. Stabil antifaschistische Recherche bei Jan Böhmermann:

Und alle Unterstützer_innen des Faschismus klatschen in die Hände, fühlen sich bestätigt und ermutigt. Er hat ja auch sowieso schon jahrelang die AfD unterstützt, jetzt nur noch in der ganzen Offenheit des neuen Selbstbewusstseins. Was Jürgen Elsässer, der glühende Antisemiot schon 2017 forderte, wird nun von höchster Stelle getan. Die protofaschistische Bewegung im Staatsapparat wird auch in der New York Times bemerkt:

Mr. Seehofer has proved Mr. Maassen’s most important ally, raising questions about the interior minister’s own pandering or fealty to the far right. For Mr. Maassen’s professional breach, Ms. Merkel’s fragile coalition agreed to remove him from his post as head of German intelligence. Yet instead of demoting him — or outright firing him — the coalition effectively promoted him. His new job as state secretary came with a salary increase. In reaction to the public outcry, he was shuffled once again, this time to become “special adviser” to Mr. Seehofer.

Mr. Seehofer is the fiercest critic of Ms. Merkel within her governing coalition. “Migration is the mother of all problems,” he recently declared. But Ms. Merkel needs his party, the Christian Social Union, to form the right flank of her government. He, in turn, believes he needs to appeal to the far more right-wing elements in his own party, which faces a challenge in this month’s regional Bavarian election from the Greens and, crucially, Alternative for Germany. Evidently, Mr. Seehofer considers the disgraced Mr. Maassen a valuable electoral asset for keeping his conservative bona fides intact.

In einer stabilen Demokratie wäre so jemand eigentlich schon vor Jahren unhaltbar gewesen. Aber die Personalie Seehofer zeigt, dass doch so einiges mehr möglich ist. Dass er kürzlich nach allen vorherigen Eskapaden auch noch begonnen hat, mit der antisemitischen Chiffre von „Fake News” zu operieren und den deutschen Medien en gros vorwarf, noch mehr Falschmeldungen als in Russland zu verbreiten, passt da auch ins Bild.

Wenn ein Innenminister behauptet, deutsche Medien und auch Politiker produzierten mehr „Fake News“ als die Russen, ist das als eine ernste Herabwürdigung zu verstehen. Sie zeigt eine Haltung, über die man in Vor-Trump-Zeiten wohl nicht einfach hinweggesehen hätte. Und sie kommt von einem Mann, der die Öffentlichkeit mit seinem ominösen „Masterplan“ peinigt, über den schon mangels Details und Inhalten nur spekuliert werden kann.
Wir sind wohl auch in Deutschland endgültig in Richtung Trump verrutscht, der dieses Jahr bereits unzählige Mal von „Fake News“ schwadronierte und allein diesen Juni schon mehr als zwanzigmal von der „Hexenjagd“ gegen ihn twitterte. Es gereicht hier wie dort aber nicht mehr zum Skandal, Seehofer wird seine Aussage wohl eher wiederholen, als sich für sie zu entschuldigen. Und auch einen Beleg für seine Behauptung, die deutschen Medien würden die „meisten Fake News“ produzieren, wird er wohl nicht liefern müssen. (Quelle)

Im Lauf der letzten 12 Monate wurden in Europa sieben Journalist_innen getötet, die über Machenschaften ihrer Regierungen und/oder zu mächtiger Leute recherchiert und geschrieben hatten. Gerade gestern wurde in Bulgarien der bestialische Mord an der Journalistin Viktoria Marinowa bekannt, die über Veruntreuung von EU-Geldern recherchierte. Diese Feindseligkeit gegenüber Öffentlichkeit und Berichterstattung, die Drohung gegen Journalist_innen zeigte sich auch im Fall des LKA-Mitarbeiters in Dresden, wo die Polizei ganz nach Wunsch von Pegida agierte. Ohne die Öffentlichkeitswirksamkeit des ZDF wäre der Fall womöglich wie so viele ähnliche untergegangen. Dass das regelmäßige Normalität ist, spricht Bände über die Zustände bei der sächsischen Polizei.

Dass nun Seehofer als Chef einer regionalen Kleinpartei mit bundesweit ca. 6% der Stimmen sich permanent so aufplustert, mit rassistischen Kampagnen und Totalausfällen wie seiner Freude über 69 Abschiebungen der faschistischen Mobilmachung Vorschub leistet, wäre in stabileren Zeiten bei anderen Vorgesetzten genügend Grund gewesen, ihn zu entlassen. Wobei selbst das vielleicht eine Verharmlosung der früheren Zeiten ist, wenn man sich anschaut, was z.B. die Stahlhelm-Fraktion früher in der CDU war. Aber wir befinden uns zumindest nicht in stabileren Zeiten. Und der Griff in die CSU-Kiste, die die AfD nur noch schamloser nutzt, wirkt sich eben aus. Dass CSU-Landesgruppenchef Dobrindt eine „Konservative Revolution” fordert, die damals der schon erwähnte Mohler konstruiert hat, macht das Bild nur noch runder.

Und deshalb treffen die Plakate in München ganz genau das Problem. Es wird gerade ganz viel mehr Faschismus gewagt, als sich das die meisten vor einigen Jahren hätten träumen lassen. Ich war wohl naiv, aber als Sarrazin im September 2010 auf ganz großer Bühne reüssierte, war ich überrascht und doch auch erschüttert. Ich hatte wirklich gedacht, dass so etwas in Deutschland nicht mehr möglich sei. Von dieser Naivität bin ich geheilt. Mittlerweile wurde aus Sarrazins Ideen Pegida auf der Straße, die AfD im Parlament, der NSU im Untergrund und Seehofer hat seine Geisteshaltung dazu ja auch explizit zum Ausdruck gebracht:

Und diese Brutalisierung der Sprache, der Beifall für faschistische Positionierungen durch vermeintlich honorige Leute der „Mitte”, dieses hetzende Schüren von Ressentiments, diese Rückgratlosigkeit im Angesicht der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die kommen nicht von der AfD, lassen sich nicht auf die Schmuddelkinder abwälzen und auf „die anderen” auslagern. Sie kommen von oben, sie kommen von Seehofer, Dobrindt, Söder und wie sie alle heißen. Der Begriff „Asyltourismus”, mit dem die CSU und dann auch Julia Klöckner von der CDU hantieren, ist Ausweis der deutschen Faschisierung. Wer öffentlich so redet, ist auch noch zu ganz anderen Dingen fähig. Was Björn Höcke vorhat, wird nicht mehr von allen ignoriert. Es wäre aber tatsächlich weniger gefährlich, wenn er nicht ständig angehört und diskutiert würde. Wenn nicht alle drei Wochen das nächste Porträt vom Ziegenmann in raunendem Tonfall erschiene. Wenn nicht bürgerliche Medien wie die FAZ einem Alexander Gauland den Raum geben würden, sich lang und breit zu erklären. Sie unterstützt damit eine faschistische Bewegung. Das #Deutschlandproblem ist das fehlende demokratische Fundament dieser Gesellschaft. Reihenweise kippen sie um, statt Grundrechte zu verteidigen. Wenn in der ZEIT darüber diskutiert werden kann, ob man Menschen nicht lieber ertrinken lassen sollte, ist genau das der Ausweis für den Stand der Zivilisation in diesem Landes. Wenn ab 2019 die AfD in Sachsen regieren sollte und über die Frage, ob die CDU mitmacht, die Bundesregierung zerbricht und Merkel endgültig geschasst wird, was für Kräfte übernehmen dann wohl?

Es wäre angebracht, wenn sich mehr Menschen damit auseinandersetzen, in welchen Bewegungen und Zuständen wir uns befinden. Es verbrennt ein syrischer Kurde in einer Polizeizelle und kaum jemand horcht auf? Der im NSU-Prozess äußerst mild bestrafte Unterstützer Andreas Eminger ist längst wieder aktiv. Dieser Text von Tomasz Konicz heißt „Von der Postdemokratie in den Vorfaschismus” und vielleicht sind wir ja wirklich schon auf dem Weg, genug Argumente liefert der Beitrag. Wir werden es bald erfahren. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.

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